Mitteleuropäerinnen-Prosa

Carlos ruft mich an. Er sagt, dass er heute Abend bei einer Veranstaltung kellnert.
”Ich bin müde”, sage ich.
”Du kannst dich kostenlos betrinken und es gibt Häppchen”, sagt Carlos.
”Wo ist das?”, frage ich.

Buchpremiere in einem Café in Mitte. Es ist furchtbar langweilig. Carlos trägt ein weißes Hemd, eine schwarze Hose und eine schwarze Schürze und dazu schwarze Sneakers. Er lächelt mir immer wieder zu oder verdreht die Augen und signalisiert mir, dass er einen schwierigen Gast hatte und zeigt heimlich auf einen kleinen, rundlichen Mann mit Halbglatze, der einen schlechtsitzenden Anzug ohne Krawatte mit aufgeknöpften Sakko trägt und auf das Display seines Handys starrt.

Die anwesenden Journalisten und Verlagsmenschen sehen langweilig aus. Ihre teure Kleidung sieht gewollt aus. Wie kann man mit teurer Kleidung so unmodisch aussehen kann, so bourgeois, so wenig stilvoll? Ich sehe auch nicht viel besser aus in meinen zerrissenen Lumpen, aber ich habe mich auch nicht bemüht. Das ist der Unterschied. Es ist meine erste Buchpremiere. Soll ich aufgeregt sein? Ich entscheide mich lieber fürs Betrunken sein.

”Gleich geht’s los”, sagt Carlos. ”Danke, dass du gekommen bist. Weißt du, seit mein Deutsch so gut geworden ist, verstehe ich so viel, was diese Menschen reden. Das ist nicht gut. Ich werde verrückt. Sie sind, wie sagt man self-important?”
”Sie nehmen sich zu wichtig”, sage ich.
”Ja. Schrecklich. Hier, trink noch ein bisschen. Du wirst den Alkohol brauchen.” Er lacht. Ich muss auch lachen.
”Der Wein ist so gut”, sage ich.
”Aber nur der Wein. Nicht die Gesellschaft”, sagt Carlos.
Wir lachen.
”Gesellschaft ist ein neues Wort, das ich habe gelernt.”
”Gut”, sage ich. ”Ein Wort, das ich gelernt habe, klingt besser.”
”Ein Wort, das ich gelernt habe? Danke. Es geht los”, sagt Carlos und zeigt auf die kleine Bühne.

Ein Mann betritt die Bühne. Er hält ein Mikrofon in der Hand. Das Licht wird gedimmt und nur die Bühne ist noch erleuchtet. Der Mann räuspert sich. Er ist um die 40. Die übrigen Anwesenden sitzen auf Stühlen vor der Bühne oder an der Bar. ”Guten Abend, meine verehrten Damen und Herren”, sagt der Moderator. ”Ich begrüße Sie recht herzlich zu der Buchpremiere des, und ich kann das jetzt schon sagen, obwohl erst Februar ist, Buchs des Jahres. Vielleicht des Jahrzehnts. Lona-Frauke Reismann liest heute für Sie aus Wir kotzen in Farben. Begrüßen Sie mit mir Lona-Frauke.”
Applaus.

Die ”Jungautorin” liest der geladenen Presse, ihrem Verlag und Freunden aus ihrem Erstlingswerk vor hat Carlos gesagt. Ich habe zuvor noch nie etwas von ihr gehört. Sie betritt die Bühne. Sie hat hellbraunes Haar, hat die Augen dunkel geschminkt und trägt ein schwarzes, enges Kleid und roten Lippenstift. Sie sieht ein bisschen so aus als wäre sie sich soeben aus dem Bett gerollt, um dann hierher zu kommen und hat im Taxi – Menschen wie sie fahren immer Taxi – noch schnell Make-up aufgetragen. Sie lächelt überheblich. Sie steuert auf den Tisch zu und setzt sich.

”Abend”, sagt sie. ”Ich bin so aufgeregt. Ich danke Ihnen, dass Sie zu meiner Buchpremiere gekommen sind. Zu meiner ersten, deshalb bin ich aufgeregt. Das macht man ja nicht so oft.” Kichern. Das Publikum lacht. Sie räuspert sich. ”Frauke-Lona Reismann- das bin ich ich”, sagt sie. Wieder Lachen. ”Wir kotzen in Farben”. Ich warne Sie, noch können Sie fliehen”, sagt sie kichernd. ”Sagen Sie dann nicht später, ich hätte Sie nicht gewarnt.” Sie kichert wieder. ”Nein, ich mache nur Witze hihi, ich bin wahnsinnig talentiert, denn sonst würde ich ja nicht veröffentlich werden. Ich lese dann jetzt mal:

”Da liegt halt so ein Buch und es erstreckt sich über den Tisch, nimmt Platz ein, fordert, packt, nimmt mit. Da ist so viel Buch auf dem Tisch. Das Buch belagert den Tisch wie das trojanische Pferd Troja und da kommen Wörter raus. Ganz viele Wörter und die umzingeln wie Soldaten, sie sind Wörter, aber Soldaten. Soldatenwörter. Sie können gut sein, aber sie können es auch nicht, sie können alles, sie sind Wörter. Sie sind mehr. Sie tun, was Wörter tun. Die Wörter. Das Buch. Das Cover. Ein Bild. Das Bild saugt dich ein. Das Bild verschwimmt zu Puzzleteilen. Die Puzzleteile sind die Leere. Die Leere ist ungreifbar. Ich bin die Leere. Ich bin leer. Ich nehme Antidepressiva und esse Nudelsalat. Ich nehme Antidepressiva und esse Nudelsalat. Eigentlich geht es mir doch gut. Eigentlich habe ich alles, was ich brauche. Das Buch. Die Buchstaben. Sie verschwimmen. Wir nehmen Koks und trinken Rotwein. Wir nehmen Koks und trinken Rotwein. Sex. Sex. Sex. Sex. Sex. Sex. Es ist kalt. Das Laken ist kalt. Die Liebe. Unsere Körper, sie reiben aneinander. Sie reiben gegen die Kälte an. Berührungen. Reibungen. Ich denke an hässliche Frauen und kann nicht kommen. Ich denke an hässliche Frauen und kann nicht kommen. Die hässlichen Frauen können nicht kommen, weil sie beim Sex daran denken, dass sie so hässlich sind. Ich bin schön und quäle mich, wenn ich an hässliche Frauen denke. Ich bin schön und habe keine Cellulite. Meine Schamhaare sind frisch gewachst. Ich trage teures Parfum. Ich bin schön. Doch liebe ich Adam? Ich liebe Adam nicht. Ich kann ihn nicht lieben. Ich bin stumm und es will doch etwas kommen. Tränen wollen kommen. Die Traurigkeit. Oh Adam. Ich kann nicht deinetwegen kommen. Ich sehe meinen Zeh an, meinen großen Zeh. Oh Adam. Was soll das nur sein? Wir sind zu jung und so verloren und die Antidepressiva wirken nicht mehr wie früher und ich will weinen, aber es kommen keine Tränen. Ich habe meine Tränen verweint, wie einen alten Schwamm ausgewringt. Ich habe doch alles. Einen guten Job, ”irgendwas mit Medien”, in Berlin. Das wollen doch alle. Ich bin ein Hipster. Ich habe eine Wohnung, Altbau mit Stuck, mein gutes Aussehen, ich war auf einer guten Schule, habe studiert, habe wenige Freunde, aber Freunde immerhin, genug Geld. Ich habe alles, was man in unser Generation Y erreicht haben muss und noch mehr. Warum will ich noch mehr? Warum bin ich nie zufrieden? Meine Seele ist frigide. Meine Seele weint und ich nur leise. Oh Adam.
Der Sex ist vorbei. Vorbeigezogen. Wie Wolken oder eine Jahreszeit. Adam schläft. Ich stehe auf und ziehe Adams Hemd an. Ein hellblaues Männerhemd. Es ist zu groß. Ich trage sonst nichts. Nackte Beine, nackte Füße. Der Parkettboden ist kalt. Ich ziehe graue Wollsocken an. Ich stehe vor dem Spiegel und prüfe, ob ich Cellulite habe. Habe ich nicht. Ich muss nachher noch Shampoo kaufen, denke ich. Ich gehe in die Küche und mache Toast mit Erdbeermarmelade. Ich denke an französische, intellektuelle Filme. Ich mache Kaffee. Die Wolken sind grau wie die Wollsocken. Jemand wischt den Himmel grau wie Autoscheiben bei Regen. Ein Tränenmeer verdeckt mir jetzt die Sicht. Tinder, Netflix, Starbucks, Facebook, Bio-Supermarkt. Unsere Generation ist die depressivste. Ich kaufe mir am Nachmittag einen Chanel-Lippenstift im KaDeWe. Meinen zehnten. Dann geht es mir wieder besser, aber ich weiß, dass es nicht lange anhalten wird. Gekauftes Glück. Leistungsgesellschaft. Unsere Generation ist die depressivste. Meine Seele weint lauter. Ich gehe zu Weekday. Shoppen wird mich vielleicht auf andere Gedanken bringen. Es ist sehnsuchtsvolle Zerstreuung für meine gepeinigte Seele. Zu viel Gefühl, zu viel Leid. Mein Herz irrt in Nebelschwaden umher. Ohne Halt, ohne Griff. Ich. Ich.
Eine Frau sagt zu ihrem Freund: ”Ich mag diesen Rock, Schatz”. Der Freund sagt: ”Er steht dir gut, Schatz.” Ich hasse Paare, die sich Schatz nennen. Wissen Sie denn nicht, dass sie in spätestens 70 Jahren tot sind? Solche Paare lesen bestimmt Paulo Coelho-Bücher und haben Pärchen-Profilbilder von sich bei Facebook und am Sonntag schauen sie den Tatort zusammen, alle ihre Möbel sind von Ikea und sie haben ein Wand-Tattoo mit einem motivierenden Spruch auf Englisch und davonfliegenden Schwalben im Wohnzimmer. Ein Bild von der Skyline von New York haben sie auch noch in ihrer hässlichen, beengten Zwei-Zimmer-Wohnung in ihrem geschmacklos eingerichteten Schlafzimmer, wo sie zwei Mal die Woche, wenn es hochkommt, ficken, aber der Mann hat vermutlich Erektionsstörungen und nichts kommt da hoch, außer vielleicht meine Kotze, wenn ich an sie denke. Sie wissen nichts. Sie sind so dumm. Ich weine in der Umkleidekabine und mache danach ein Selfie mit verschmiertem Mascara. Wohin nur mit dem Bild? Twitter, Facebook oder Instagram? Soll doch die ganze Welt wissen, dass ich leide. Wohin nur mit all den Gefühlen? Die Therapie, ich mache sie seit einem Jahr, völlig nutzlos. Berlin sieht trist aus. Kann nicht ein Krieg kommen? In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, schrieb Hesse. Der Krieg macht alles neu und gut. Ich sehe, dass ich bei Twitter nun einen verifizierten Account habe. Da ist ein Häkchen neben meinem Namen und ich habe endlich die 5000-Follower-Marke geknackt. Ich bin für zwei Minuten glücklich. Zwei Minuten aufrichtigen Glücks, doch die zwei Minuten verfliegen wie ein Vogelschwarm, der im Winter in den Süden fliegt und die Realität legt die Welt wieder in Schutt und Asche. Langeweile und Depression, Erfolgsdruck, Einsamkeit, Selbstdarstellung, Hybris, manische Selbstbezogenheit, verlorene Generation. Ich nehme eine Diazepam.”

Ich komme mir vor wie bei Hape Kerkelings ”Hurz”-Darbietung. Ich blicke pikiert zur Bühne und nehme einen Schluck von meinem Weißwein. Er ist gekühlt und schmeckt gut. Das ist doch eine Farce. Das soll die neue deutsche Literatur sein? Der Wein ist besser. Es ist wohl so eine Art ungeschriebenes Gesetz, dass in ”aufstrebender”, deutscher Literatur unbedingt das Wort ”ficken” vorkommen muss. Es ist so ”frech”. ”Johnny, wogegen rebellierst du?” – ”Was hast du anzubieten?” Fickt euch Allee, denke ich.

Die Jungautorin hat zu Ende gelesen. Tosender Applaus. ”Bravo”, ruft ein Mann. Er ist ungefähr Mitte 50, trägt einen teuren Anzug und eine schwarze Hornbrille. ”Ausgezeichnet”, ruft er.

Eine Bekannte aus London hat mir erzählt, dass sie mal eine Kunst-Performance gesehen hat, bei der eine junge Künstlerin in den Raum kommt, ein leeres Glas dem Publikum vorzeigt, dann den Raum verlässt, ihn kurze Zeit später wieder betritt und dem Publikum das nun mit ihrem eigenen Kot befüllte Glas zeigt und sagt: ”It’s shit in a glass.” Auch da sagte ein Mann: ”Bravo.” und so etwas ähnliches wie: ”Das ist so rotzig-frech.” Wenn ein Buch als rotzig, frech oder rotzig-frech von Langweilern beschrieben wird, dann weiß ich gleich, dass ich es nicht lesen möchte. Ich möchte auch keine ”lässigen” Bücher lesen. Ich sehne mich nach der Kunstwelt. Da sind wenigstens die Drogen und Partys besser und die Menschen interessanter als in der ”Literaturszene”. Ich bin ohnehin nur Gast und gehöre nicht dazu. Es könnte ja auch noch schlimmer sein. Wenigstens ist es keine Fashion-Week-Party.

Hinter mir sitzt ein Mann und raunt seinem Sitznachbarn zu: ”Manche Verlage würden weißes Papier drucken, wenn es nur irgendwie Geld bringt. Die Reismann klaut doch ihre Pointen sowieso von Poetry Slammern und aus dem Internet.”

Die Presseleute können nun der Jungautorin Fragen stellen. ”Ich bin so aufgeregt”, sagt die Jungautorin. ”Ich bin schon bei meinem fünften Glas Weißwein. Dabei gibt’s hier nur so eine billige Plörre.” Sie lacht. ”Sie können mir jetzt Fragen stellen, aber ich lalle vielleicht ein bisschen.”
”Was hat Sie dazu inspiriert ”Wir kotzen in Farben’ zu schreiben? Wie kamen Sie zu dem Titel?”, fragt einer der anwesenden Journalisten.
Die Jungautorin lächelt. ”So viele Dinge. Mein Umfeld hat mich dazu inspiriert, aber natürlich ich mich auch selber. Auch die Gesellschaft. Soziale Medien. Nicht lieben können. Man sagt doch immer wir sind Generation Beziehungsunfähig und so und das stimmt nicht. Wir haben ja Beziehungen, aber die sind halt kompliziert. Wir haben Beziehungen mit anderen und mit uns selber und es ist wichtig sich da auszuprobieren und ‘Wir kotzen in Farben’, weil es eben kotzen ist, aber auch etwas Schönes sein kann und darum eben Farben. Farben sind ja in der Regel etwas Positives, ja. Das ist mit etwas Buntem verbunden.” Sie nickt, um das Gesagte noch gestisch zu unterstreichen. ”Die Protagonistin hatte ja auch mal Bulimie und das hat dann für sie noch mal eine besondere Bedeutung, weil sie ja so viel gekotzt hat, während der Bulimie. Sie will aber Farben und nicht nur kotzen.” Sie lacht. ”Die nächste Frage”, sagt sie.
”Ist das Buch autobiographisch? Wieviel Reismann steckt in ‘Wir kotzen in Farben’?”
”Schon ein wenig, aber ich hatte keine Bulimie. Ich hab’s nur mal mit 14 ausprobiert. Das ist schon so ein Wohlstandsding. Ich habe für den Charakter der Fanny die Bulimie gewählt, damit das ihren Wohlstand und auch ihre Undankbarkeit in einem urbanen Kontext unterstreicht, denn sie ist ja nicht glücklich, obwohl sie alles hat. Sie und ihre Freunde wohnen in Berlin Mitte in einer elysischen Symbiose. Ich kenne das ja. Medienmensch, Hipster, aber doch irgendwie unglücklich. Das ist die Geschichte meiner Freunde und mir, aber die Bulimie- jede zweite hat doch heute Bulimie. Das ist ja nicht besonders einfallsreich. Fanny hat Bulimie, damit sie etwas hat und ostentativ sagen kann: ‘Seht her, ich habe Bulimie. Darum geht es mir nicht gut.’ Das ist aber nur vorgeschoben. Sie macht es sich zu einfach. Es ist ja heute en vogue psychische Störungen zu haben, hm-hm. Ich habe ja auch selber Depressionen, aber das ist etwas anderes, weil ich mir das nicht aussuchen kann. Ich bin ja passiv depressiv und kotze nicht aktiv oder ritze oder so. Mir wäre Bulimie jetzt auch irgendwie zu eklig wegen dem über-dem-Klo-hängen und dem ausgekotzten Essen und so. Kotzen is not very Chanel.” Die Jungautorin kichert. ”Bulimie ist aber auch gemein wegen der hungernden Kinder in Afrika, weil wegen der Verschwendung von Essen und so. Ich möchte jetzt aber keinem zu nahetreten. Ich kenne ja auch welche mit Bulimie und ich hätte auch voll gerne afrikanische Freunde, hm, ja. Oder auch Flüchtlinge mit oder ohne Bulimie. Das ist dann voll der schöne Kulturaustausch. Die armen Flüchtlinge.”
”Sie macht sich so viele Gedanken. So jung und schon so klug”, sagt eine Frau.
”Sie sind bekannt geworden durch ihre Artikel in der Zeitschrift Glam, die ja doch recht provokant auf den ein oder anderen Leser wirken. Sie schreiben überheblich und viel über Sex. Meinen Sie das alles ernst oder ist das Kalkül?”
Sie kichert wieder. ”Die Leute sind da immer so empfindlich. Die sollten sich mal lockermachen und ihre Frustrationen nicht an mir auslassen. Davon kriegt man doch nur graue Haare und Falten. Ich meine das ja nicht immer alles so. Ich habe viele Meinungen und viel zu sagen. Ich denke da selber gar nicht so darüber nach, weil mir zu viel Denken nicht gut tut. Ich ändere meine Meinungen ja auch oft. Tief in mir drin bin ich ja auch nur ein Mädchen, das geliebt werden möchte und nicht alles weiß. Es gibt ja nicht immer nur eine Meinung. Ich kann mehrere haben und wenn ich schreibe, schreibe ich, hm-hm.”
”Wollten Sie schon immer Bücher schreiben?”
”Nicht unbedingt. Ich habe aber schon mal mit dem Gedanken gespielt, weil ich so viel zu sagen habe. Ich hätte auch Schauspielerin werden können, aber da hat man so wenig zu sagen. Ich mein’, jetzt seine eigene Meinung. Man sagt ja schon was, den Text und so, aber der ist ja nicht von einem selber. Ich wollte aber schon immer bei einer Frauenzeitschrift arbeiten und da Handtaschen umsonst bekommen und so und halt über so was wie Nagellack und Blowjobs schreiben. Ich dachte, das wäre halt voll glamourös irgendwie und etwas, um das mich andere beneiden würden,
aber ich kam dann halt zu Glam, weil man mein Talent entdeckt hat und kurze Zeit später bot man mir an ein Buch zu schreiben, weil mein Verlag meine Texte so gut bei Glam fand und die sagten: ‘Schreib doch mal ein Buch.’ und ich dachte, why not, ich könnte echt mal ein Buch schreiben. Dann habe ich halt den Vertrag unterschrieben und Blumen bekommen. Pinke Rosen und echt voll viele. Dabei mag ich gar keine Rosen und pink ist mir auch irgendwie zu tussihaft, aber ich habe mich schon gefreut, ja. Da hab’ ich halt auf den Vertrag und die Blumen geschaut und das war halt voll surreal, dass ich ein Buch schreibe. Das Schreiben war auch einfach schrecklich. Das Schreiben ist so eine Qual irgendwie. Ich hatte ja auch voll viele Schreibblockaden und so. Jetzt mache ich halt Verschiedenes. Journalistin bei Glam und ich arbeite ja auch noch für Inside Her. Das ist ja eine Frauenzeitschrift. Ich habe halt echt meinen Traum verwirklicht. Die bei dem Frauenmagazin boten mir an da das Umstyling zu machen für Frauen, die, ich sag mal so, jetzt nicht so das Optimale aus sich herausholen und jetzt aussehtechnisch keine Models oder so sind, um das mal nett zu formulieren ist und ich mache da auch noch eine Kolumne, die Hot or Not heißt. Da schreibe ich über Trends, aber alles mit gehobenem Niveau. Manchmal sind ja Frauenzeitschriften echt schlecht. Ja und dann eben das Buch jetzt. Das mit dem Buch ist schon echt krass. Der Wahnsinn. Ich mein’, ich bin jetzt berühmt. Ich mache seriösen Journalismus bei Glam und habe ‘Wir kotzen in Farben’ geschrieben und das ist halt anspruchsvoll und so und zum Ausgleich arbeite ich bei einer Frauenzeitschrift. Man kann sich ja nicht nur mit intellektuellen Dingen beschäftigen. Da wird man ja irgendwann verrückt. Ich bin echt zufrieden. Ich habe mehr geschafft als ich mir vorgenommen hatte. Nur kostenlose Handtaschen bekomme ich nicht so oft.” Sie lacht.
”Was denken Sie macht ihre Generation aus?”
”Hm, das Privileg. Wir können ja unglaublich viel. Wir können studieren oder reisen und im Internet Partner kennenlernen und so und das ist so unkompliziert, aber dann halt auch kompliziert, weil es zu schwer und zu einfach ist. Es ist ja apodiktisch, dass wir uns kognitiv daran delektieren und uns selber korrumpieren. Wir haben alles, was wir brauchen und sind doch unzufrieden. Das alles ist so deprimierend irgendwie. Das ist so traurig. Ich weine deshalb auch manchmal. Ich bin so sensibel, weil ich so tiefgründig bin. Es müsste halt mal wieder ein Krieg oder eine Wirtschaftskrise her und dann hat man es unter dem Aspekt einfacher sich selber zu kennen und kann sich viel besser auf sich selber und seine Bedürfnisse konzentrieren und dann wären halt diese Wohlstandsverwahrlosung, die Selbstdarstellung, das Streben nach Erfolg und Konsumgütern, die Jagd nach Likes und Followern und unser Egoismus und so endlich kein Thema mehr. Das gab’s ja früher alles nicht. Die Menschen hatten es früher so viel einfacher irgendwie. Diese Befindlichkeiten sind ja ubiquitär in meiner Generation, aber ich möchte nicht für meine Generation sprechen. Ich mag das ja gar nicht, dass ich für meine Generation sprechen muss. Es wäre so pharisäisch von mir für unsere Generation Y sprechen zu wollen. Ich bin ja nicht wie ein Klassensprecher demokratisch oder so gewählt worden. Ich kann ja nicht für die sprechen. Ich kann nur schildern, was ich beobachte und so. Y steht ja für Why. Voll viel hinterfragen und so. Wir üben uns in Prokrastrination und Selbstverwirklichung. Wir können so viel. Eine Wirtschaftskrise, wie schon gesagt, müsste her oder wir müssen halt heiraten und Kinder kriegen und dann endlich lieben lernen. Das wäre Tabula Rasa und so. So haben wir ja immer diese Sisyphos-Aufgabe des sich Verstehens, ja, und das ist so schwer. Keine Generation bisher hatte es so schwer.”
”Sie haben Kreatives Schreiben studiert. Hat man da schon Ihr Talent erkannt?”
”Ja.”
”Inszenieren Sie sich?”
Die Jungautorin lächelt kokett.
”Was sagen Sie dazu, dass sie mit Kracht und Stuckrad-Barre verglichen werden?”
”Die Menschen lieben ja Vergleiche, aber ich habe meine eigene Stimme und ich sehe mich eher in der Nachfolge von Goethe oder Thomas Mann, aber ich lese auch mal gerne Kracht und Stuckrad-Barre.”
”Was würden Sie jungen Leuten raten, die wie Sie gerne so gute Popliteratur schreiben möchten?”
”Ich würde ihnen raten Talent zu haben. Das hat nicht jeder. Talent ist eine Gabe.” Sie streicht sich durchs Haar und grinst schief.
”Sehen Sie sich selbst als ein Wunderkind?”
”Das ist schon etwas vermessen und idiosynkratrisch zu sagen, dass man das von sich denkt. Das sollen andere beurteilen. Ich lese es in den Zeitungen, dass ich das bin, aber es ist schwierig da objektiv ranzugehen, wenn das Geschriebene einen selber zum Thema hat. Ich sage mal so, ich glaube an mich und mag mich. Meistens. Das ist ja normal in unserer Generation, dass man auch mal an sich zweifelt. Ich habe Talent. Das soll reichen. Ich möchte aber sagen, dass ich nicht nur hübsch bin wie überall geschrieben wird. Ich habe auch viel zu sagen, ja. Schönheit schließt nicht Klugheit aus.”
”Wie fühlt es sich an in Berlin jung, schön und erfolgreich zu sein?”
”Ich weiß ja nicht, wie es sich anfühlt in Berlin alt, hässlich und erfolglos zu sein. Was soll ich darauf antworten?” Sie lächelt und sieht eine Frau von ihrem Verlag fragend an.
Das Publikum lacht. ”Diese Frau Reismann”, sagt ein Mann anerkennend.
Hurz.

Ich gehe an die Bar und bestelle mir noch einen Weißwein. Eine Frau und ein Mann um die 40 sitzen an einem Tisch rechts neben der Bar.
”Sie kann schreiben”, sagt der Mann.
”Ja” bestätigt die Frau. ”Aber dem Buch- ich will nicht sagen- hm. Es fehlt- hm. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Die Figuren- die Handlung. Hm. Ist da so wenig, ich will nicht sagen Tiefgang, aber vielleicht doch, Tiefgang oder hm, ich verstehe das Buch vielleicht nur nicht, weil ich nicht die Zielgruppe bin?”
”Ja”, sagt der Mann.
”Es ist halt ihre Generation”, sagt die Frau. ”Hubert Witzmann hat das Buch doch gestern in seiner Rezension so gelobt.”
”Ja”, sagt der Mann.
”Dieser Ton, den sie anschlägt.”
”Ja, ihre Generation. Diese Ironie? Ist das Ironie?”
”Das ist dann halt vielleicht so bei ihrer Generation.”
”Hm, ja. Denke ich auch.”
”Ich weiß nur nicht, wie ich eine Rezension darüber schreiben soll.”
”Das wird schwer, ja. Es ist halt nicht so einfach, weil das Buch, so, hm, vielschichtig ist.”
”Ja”, sagt die Frau und seufzt.
”Sie hat halt einen Generationen-Roman geschrieben. Man muss ihn nur öfter lesen und dann erschließt sich uns die Genialität.”
”Ja. Es ist nur so, hm, das ist so ein eindimensionaler Monolog? Das wirkt auf mich so pseudointellektuell. Die Protagonistin ist doch recht, hm, überheblich. Diese jugendliche Arroganz und das zwanghafte sich Abgrenzen wollen von der Masse wirkt etwas peinlich und aufgesetzt mit Mitte, Ende 20. Es wirkt auf mich unreif. Ich meine, wie alt ist denn Reismann? Mitte 20? Das macht man doch eher in der Pubertät. Provokation der Provokation willen. Wie ein kleines Mädchen, das die Schuhe ihrer Mutter anzieht und doch Kind bleibt. Da sind mein 15-jähriger Sohn und seine Freunde weiter. Wo ist da die Handlung? Das ist mir zu wenig. Das ist doch eher Trivialliteratur. Warum preist man es als Meisterwerk an und Reismann als die Stimme ihrer Generation? Ich frage mich, was die da beim Verlag rauchen? Ich mag die Klostermann lieber. Die ist jünger und schreibt viel besser meiner Meinung nach.”
”Christine Klostermann? Ich bitte dich. Wer liest denn gerne dieses verstaubte, schnarchlangweilige, intellektuelle Betroffenheits-Geschwafel? Die alleinerziehende Lesbe aus dem Krisengebiet mit dem Kind, die eine Scheinehe mit dem Schwulen eingeht, der als Junge sexuell missbraucht wurde? Ich habe mich so beim Lesen gelangweilt. Das Buch hat keinen Pep. Soll die doch weiter für Lesben Sparten-Literatur schreiben und das wird dann in irgendwelchen linken Buchläden verkauft, die von der Feministinnen- und Homo-Lobby unterstützt werden und wo linksversiffte, stinkende Punks mit Lese-Rechtschreib-Schwäche, behaarte Kampflesben, Schwuletten und Mauerblümchen und Hippies hingehen, die keinen Kerl abkriegen und deshalb viele Bücher lesen müssen, damit diese frustrierten Jungfern sich mal einen Abend nicht allein vor dem Fernseher zu einer Fernsehschnulze besaufen oder sich eine Gurke reinschieben müssen haha und wo abgewrackte, verbitterte Ökos in selbst-gebatikten Shirts herumlaufen, an geschälten Karotten nibbeln und wo es nach Marihuana stinkt, weil Peace and Love haha, und die im Buchladen sind traurig, dass sie zu jung sind um Alt-68er zu sein und sie trommeln erst mal auf ihren Bongos herum und singen Kumbaya und der Genitalbereich von denen hat schon Spinnweben, weil wer rammelt schon gerne mit denen haha und Hans-Christian Ströbele und Claudia Roth kommen noch vorbei und die gehen dann nach dem Besuch im Buchladen auf eine Demo, wo sie sich für autofreie Straßen im Kiez einsetzen als wären wir hier auf einer norddeutschen Insel oder die demonstrieren gegen genmanipuliertes Gemüse, Atomausstieg und so was und ketten sich dann nackt an einen Baum, igitt, der arme Baum haha. Ich mein’, ich sehe die doch, wenn ich da vorbeilaufe. “Wir kotzen in Farben’ ist eben ein Mitte- oder Prenzlberg-Buch. Die Reismann ist Sprachrohr für Hipster. Das lesen trendbewusste Menschen. Keine linken Spinner haha.”
”Ich weiß nicht, Martin. Ich kenne mich jetzt nicht so mit Buchläden für Hippies aus. Du weißt doch, dass ich Reismann hat sich mal abfällig über Klostermann geäußert. Das kann ich gar nicht nachvollziehen. Klostermann ist ein Rohdiamant. Reismann liefert austauschbare Fließband-Literatur ab. Das Buch gibt mir nichts. Sie hat einfach nichts Interessantes zu sagen.”
”Kerstin, du verstehst es nicht. Du verstehst es in keinster Weise.”

Keinster. Ich halte mich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und dieser Mann wird fürs Schreiben bezahlt.

 

Signierstunde. Es stehen ungefähr 15 Leute an. Eine Frau Ende 20 ruft: ”Ich arbeite in einer Buchhandlung, Frau Reismann. Ich liebe Ihr Buch.” Sie trägt eine Hornbrille und ein Blümchenkleid. Ein Mann ungefähr Mitte 20 ruft noch lauter als die Frau aus der Buchhandlung: ”Ich bin Buchblogger. Ich habe 2000 Leser. Es kommen täglich neue hinzu. Kann ich Sie interviewen, Frau Reismann? Ich liebe Ihr Buch.” Er hält das Buch in die Luft. Er trägt eine Hornbrille, Jeans, einen Pullover und einen Schal. Der Mann versucht sich vorzudrängeln. ”Ich war vor dir da”, ruft die Frau. ”Was soll das?”

Was das alles soll, frage ich mich auch. Ich muss an Edvard Munchs Der Schrei denken, aber ich stehe nicht draußen auf einer Brücke. Ich bin immer noch bei der Buchpremiere in Mitte.

Ich trinke noch ein Glas Wein. Was soll man hier auch sonst machen.

Ich setze mich in einen alten Ledersessel und lese eine Online-Rezension von ”Wir kotzen in Farben” bei einer überregionalen Tageszeitung. Es gibt hier kostenloses WLAN. Der Mann, der ”Bravo” gerufen hat, hat sie geschrieben. Er muss schon vorher angefangen haben zu schreiben, denn die Lesung ist ja nicht mal seit einer Stunde vorbei. Ich erkenne ihn, weil ein Bild von ihm neben seinem Artikel veröffentlicht wurde. Thomas Krause heißt der Mann. Jahrgang 1966. Er ist Chef des Feuilletons.

 

Krauses Bücherkiste

 

Die neue Stimme der Berliner Bohème

Was bedeutet es heute schön und jung zu sein und in Berlin zu wohnen? Frau Reismann zeigt es uns in ihrem brillanten Debüt voller Sprachgewalt, Poesie, Zynismus, Witz und Nihilismus.
Heute las die 23-jährige Jungautorin im Berliner Szene-Treff ”In” in Berlin Mitte aus ihrem frechen und klugen Roman ”Wir kotzen in Farben”. Eintritt nur für geladene Gäste. Das ”Who’s who der deutschsprachigen Literatur-Szene. ”In” kann kein Zufall sein, denn in ist, was Frau Reismann ausmacht. Sie ist in. Sie weiß, was sich in Berlin tut.
Lona-Frauke Reismann ist jung und schön. Ihr honigfarbenes Haar glänzt, auch wenn das Licht mal etwas schummriger ist. Dann wirkt es beinahe braun. Es nimmt dann die Farbe von Sandelholz an, aber man kann noch gut erkennen, dass es eher blond ist. Eine Mischung aus blond und braun.
Es ist schulterlang. Sie steckt es manchmal hoch und dann fallen ihr einzelne Strähnen in das schöne Gesicht. Ihre Augen sind braun. Ein tiefes Braun. Ein schönes Braun. Die Lippen hat sie rot geschminkt. Ihre Lippen sind schön. Ihre Zähne sind elfenbeinfarben und blitzen auf im sukzessiven Licht. Sie ist ungefähr 1m71 groß. Sie trägt ein dunkles Kleid. Es ist eng und geht bis zur Mitte der Oberschenkel. Das Material scheint eine Art Stoff zu sein. Sie trägt heute nicht viel Make-up. Ich kann es erkennen, als ich ihr nahekomme. Ich kann kein Parfum riechen. Vielleicht trägt sie keines. Schön, wenn Frauen auch mal nicht so eitel sind. Sie hat schlanke Beine, straffe Schenkel. Ihre Knie sind ein bisschen spitz. Vielleicht joggt sie. Sie ist eher eine schlanke Gazelle. Oben und unten wölbt sich nur ein bisschen in ihrem Kleid. Sie legt den Kopf schief, wenn sie nachdenkt. Das ist niedlich. Sie wirkt dann ein bisschen hilflos, aber natürlich weiß sie, dass sie schön ist. Das muss sie wissen. Frau Reismann ist jemand, dem man das sicher öfter sagt. Ihre Stimme ist tief. Sie raucht und vielleicht trinkt sie auch. Es ist eine schöne, rauchige Stimme. Sie passt gut zu ihr. Ihr Haar ist ungekämmt. Sie sieht aus, als wäre sie gerade aus dem Bett gefallen oder vielleicht hat sie die Nacht wieder mal zum Tag in einer hippen, verwegenen Bar in Mitte oder am Prenzlauer Berg gemacht, wo die anderen Hipster und Trendbewussten hingehen, die etwas mit Medien machen. Geflirtet, geredet, geraucht, man hat ihr Getränke ausgegeben, an ihren Tisch kommen lassen. Frau Reismann ist schön. Da passiert das schon mal. Vielleicht hat sie auch zu einem fetzigen Song getanzt und der ganze Raum hatte nur noch Augen für sie und alle Frauen wurden neidisch und später gab es lautstarke Eifersuchtsszenen. Trennungen. Das muss nicht sein, denn Frau Reismann ist in einer festen Beziehung. Ihr Freund, der Literaturagent Justus K. Breitling, dürfte Litertaturkennern ein Begriff sein. Ist er doch eine feste Größe im hiesigen Literaturbetrieb. Man möge Eifersuchtsszenen auf ihn übertragen, denn nur er kann das schöne Gesicht und den drahtigjungen Körper von Frau Reismann jeden Morgen betrachten und nur er sitzt ihr am Frühstückstisch gegenüber, während sich der traurige Rest der Männerwelt mit gewöhnlichen, weniger schönen und weniger aufregenden Frauen zufriedengeben muss. Vielleicht frühstücken sie auch im Bett. Wer würde nicht sein linkes Bein dafür opfern, nur um Reismann einmal Feuer geben zu können und aus nächster Nähe beobachten zu dürfen, wie sie lasziv an ihrer Zigarette zieht? Wer möchte nicht selbst die Zigarette sein? Breitling ist 15 Jahre älter. Die Literatur-Lolita kann wohl den jungen, unerfahrenen Bengeln unter 40 nichts abgewinnen. Possierliche Sommersprossen hat sie und Augenringe. Natürlich hat sie die, denn sie geht in die angesagten Bars und schreibt bewegende Bücher und Artikel und bekommt nicht viel Schlaf ab. Die Augenringe tun ihrer Schönheit keinen Abbruch. Sie unterstreichen vielmehr ihre fesselnde Erotik. Frau Reismann ist verrucht. Sie hat ein Muttermal neben der Nase. Das erinnert ein wenig an Cindy Crawford. Es wurde ihr geraten es sich weglasern zu lassen, man hatte schon den besten Laser-Spezialisten Berlins, aber Reismann weigerte sich, konnte sich durchsetzen. Zum Glück. Reismann weiß, was sie will. Das Muttermal ist kaffeebraun und erinnert an eine sonnengereifte Rosine. Ihre schöne Nase ist leicht nach oben gewölbt. Sie hat einen Schwung. Die Ohren sind eher mittelgroß. Ihre Hände sind klein und die grazilen Finger sind rotlakiert. Es sind Pianistenhände. Sie trägt Schuhe mit einem kleinen Absatz. Sie runzelt gerne die Stirn. Sie hat eine Denkerstirn. Sie ist die Mona Lisa der deutschsprachigen Literatur. Wir folgen, wenn Reismann ruft. Sie führt die deutsche Literatur wieder an die Spitze. Wir sind wieder wer. Reismann, wir danken dir. Schön, klug, weise, intellektuell, im Trend.
Jetzt hat sie einen Roman geschrieben. Ihren ersten.
”Ich warte auf die U-Bahn und löse ein Sudoku auf meinem Smartphone. Ein hässlicher Mann stelltsich neben mich. Er hat einen alten, hässlichen Hund mit zotteligen Haaren. Es stimmt, denke ich, dass Menschen sich ihren Hunden anpassen oder ist es umgekehrt? Der Hund stinkt. Ich entferne mich körperlich ein bisschen von dem Mann, aber meine Gedanken sind auf ihn und den Hund fixiert. Vielleicht stinkt auch der Mann. Die Wolken sind mal wieder grau. Die U-Bahn kommt zu spät. Ich spiegle mich in den Fenstern der einfahrenden U-Bahn. Ich sehe schön schlank aus. Ich bin blass. Es ist eine vornehme Blässe. Ich muss mal wieder zum Friseur zum Strähnchenmachenlassen. Die ganze Welt ist eine Bühne. Der Mann und der Hund sind wie Requisite einer hässlichen Welt. Die U-Bahn, die zu spät kommt auch. Ich möchte weinen, aber es kommen keine Tränen. Ich hasse die Menschen für ihre Gleichgültigkeit, ihre Leere.”

Peng, Sätze wie Schüsse. Frech und so wahr. Der Herzschlag einer pulsierenden Zeit und Frau Reismann fängt ihn ein wie ein Fliegenfischer Fliegen und verarbeitet ihn zu Literatur. Zu ganz großer Literatur. Kodderschnauze mit ergreifender Poesie. Frau Reismann ist eine Meisterin der deutschen Sprache. Das Spiel mit der Sprache beherrscht sie wie kein anderer Autor. Zielgenaue Pointen und Metaphern. Wäre sie Tennisspielerin, würde sie bei Wimbledon, der French Open, der Australian Open und der US Open alles abräumen. Sie serviert die Bälle und wir können nur gucken, dass wir nachkommen. Links, rechts geht das nur so in einem Zug. Peng, peng. Zu schnell. Zu gut. Zu wahr.

”Ich gehe nach Hause und sehe mir ein Beauty-Youtube-Video an. Ich hasse Beauty-Youtuber. Sie sind so hohl und oberflächlich. Die Beauty-Youtuber sind wie Steine, die jemand über Wasser springen lässt, aber die Steine berühren das Wasser nur kurz. Sie kommen nur für wenige Sekunden damit in Berührung. Ich hingegen bin wie ein Stein, der ganz tief unten in einem Brunnen liegt. Die Menschen sind nicht tiefgründig. Ich denke so viel. Ich denke zu viel. Was nützt Schönheit in einer kaputten Welt? Ich bin schön und kaputt. Meine Generation ist so ironisch. Die Menschen wissen nichts. Sie sind so ordinär, so einfach gestrickt. Sie lesen nicht die Bücher, die ich lese. Sie verstehen nicht die Gedanken, die ich habe. Ich würde ihnen helfen, wenn sie mich um Hilfe bitten würden, aber das machen sie nicht. Galileo Galilei hat man auch nicht gefragt. Galileo Galilei hat man auch nicht geglaubt. ”Und sie dreht sich doch”, will ich ihnen zurufen, aber ich bleibe stumm. Ich bin viel schöner als diese Youtube-Nutte mit den weiß-gebleachten Zähnen, die über perlmuttfarbenen Glitzer-Eyeshadow von Lancôme fachsimpelt, weil sie zu dumm für alles andere ist, sogar für eine Arbeit bei Mc Donald’s, aber selber Videos bei Youtube machen, wäre mir echt peinlich. Ich würde viel reicher werden als sie, weil ich schöner bin. Sie ist glücklich, weil sie dumm ist. Glücklich sind die Dummen immer, weil sie nichts wissen. Nichts. Rein gar nichts. Ich möchte auch so gerne dumm sein. Schön und dumm. Das macht alles erträglicher. Ich rauche eine Zigarette und nehme noch eine Diazepam. Ich versuche mich abzulenken. Ich öffne Facebook. Ein Mädchen, das ich aus dem Internat von früher kenne, so eine graue, pummelige Maus, die Germanistik studiert, postet ein Oscar-Wilde-Zitat. Es ist so schrecklich. Weiß sie denn nicht, wie gewöhnlich sie ist? Ich klammere mich an mein Gänseflaum-Kissen und weine mich in den Schlaf”,

schreibt Reismann und man fühlt mit. Fühlt die Einsamkeit, die Verzweiflung, die Kritik an ihrer Generation.

”Warum muss ich Teil dieser Generation sein? Warum? Trigger warnings, Optimierungswahn, Geltungssucht, Gender-Mainstreaming, Selfies, Hashtags, Ich-Bezogenheit, Generation Filter, Generation Burn-out, Work-Life Balance, Digital Natives, Social Media, Juice Cleanse, psychische Störungen. Psychische Störungen sind jetzt Trend, weil jeder eine Special Snowflake sein möchte. Man sucht sich was zusammen und dann hat man das, man sagt man hat das und dann will man Mitleid. Alle sollen sagen: ‘Sophie hat es so schwer.’ oder ”Lisa leidet so.’, aber das ist nichts als ein weiteres Statussymbol für Kinder, die von ihren Eltern zu viel oder zu wenig Aufmerksamkeit bekommen haben und jetzt ist man erwachsen und man will wieder Aufmerksamkeit. Das Leid, es ist nicht echt. Trigger warnings sind so lächerlich irgendwie. Man muss auch mal erwachsen werden. Ich verabscheue Small-Talk. Ich stelle die richtigen Fragen. Die Menschen denken sie sind schön, aber sie haben die Ausstrahlung von Tschernobyl. Ich sehe mir eine Ntv-Dokumentation über eine Wurstfabrik an und weine. Ich jogge. Es ist Morgen. So viel Morgen. Wer hat den Morgen gefragt Morgen zu sein? Das Wetter ist auch da. Es ist verstimmt oder was sollen mir die grauen Wolken sagen? Ich bin auch verstimmt. Das passt dann ja. Verstimmt wie ein altes Instrument und wir spielen im Orchester der Verstimmten. Es ist so schrecklich irgendwie. Ich frage mich, welches Instrument ich wäre, wenn ich eines wäre. Darüber denken andere Menschen sicher nicht nach. Nie. Es ist mir egal, was sie denken. Ich trage meine Nike Running-Shoes, die irgendwie jeder hat. Es ist mir ein bisschen peinlich, dass ich Nike trage, die irgendwie jeder hat, aber Adam hat sie mir geschenkt. Eine dicke Frau überholt mich. Ich will ihr sagen, dass es zwecklos ist und sie kann sich noch so abmühen. Es nützt doch nichts. Sie kann auch gleich zuhause bleiben und auf der Couch Chips fressen. So fressen, dass sie beinahe daran erstickt oder noch fetter, falls das noch möglich ist, wird und platzt und dann spritzt das ganze Fett und es bleibt nur ein Fettfleck. Ich drehe mich weg. Ich will sie nicht sehen. Ich ekle mich. Eine große Schlanke, größer als ich, überholt mich. Es versetzt mir einen Stich ins Herz. Ich renne schneller, aber ich will nicht ins Schwitzen kommen. Das ist ekelhaft. Wenn Adam beim Sex schwitzt, breche ich sofort ab und er muss duschen. Es ist mir zuwider. Es ist so ekelhaft. Das Wetter ist Wetter wie es schon immer Wetter war und Wetter bleiben wird, weil es eben Wetter ist. Ich gehe nach Hause und sehe mir Katzen-Videos an. Wenn wir nicht weiterwissen, sehen wir uns Katzenvideos an. Generation what? Nein, wir sind Generation Katzenvideos.”

schreibt sie und man hört sich selbst beim Lesen bei jedem Satz laut ”Ja” rufen und streicht fleißig besonders gute Passagen im Buch an, bis da nur noch angestrichene Passagen sind.

”Urlaub ist fällig, aber zeitlich ist nur ein Kurztrip drin. Adams leicht definierte Muskeln und seine Calvin Klein-Badeshort. So liegt er neben mir und liest eine Zeitung. Er hat seine Sonnenbrille vergessen und trägt meine von Escada. Er will sich später eine kaufen. Ich habe ja gleich mehrere dabei. Ich habe zwei Kilo abgenommen und mein Chanel-Badeanzug schlängelt sich um meinen Körper wie das Schlangen tun. Ich habe ein veganes Kochbuch dabei, diverse Frauenzeitschriften und Modemagazine, ein Buch und ich checke stündlich eine Fitness-App. Ich mache zusätzlich noch ein paar Einträge in mein Tagebuch und schreibe an einem Artikel. Jeder gedankenreiche Mensch sollte ein Tagebuch führen. Nicht mal im Urlaub kann ich entspannen und schreibe an diesem Artikel über Beauty-Tipps von magersüchtigen Models und warum die Gesellschaft dünne Frauen hasst. Adam fotografiert mich. Keines der Fotos stellt mich zufrieden und ich werde sauer auf ihn. ‘Es gibt doch noch Photoshop”, sagt Adam. Ich verdrehe die Augen und stecke mir eine Zigarette an. Ich sehe eine alte, schrumpelige Frau um die 40. Ihr gerötetes, schwitzendes Fleisch hat sie in einen zu engen Bikini gezwängt. Ich google Faltencremes und Kate Moss. Meer und Strand kann schön sein, aber doch nicht, wenn man so traurig ist. Da nützt das alles nichts. Zu wenig Ambiente im Hotel. Zu wenig interessante Gäste. Wären wir doch nicht an die Nordsee gefahren und stattdessen ins Ausland. Der Strand zu sandig, das Himmelblau mit Wattewolken wie ein billiges Fleurop-Bouquet garniert. Was soll das? Soll das schön sein? Soll ich mich daran erfreuen? Kann der Himmel nicht einfach das tun, was er zu tun hat, wenn man im Urlaub ist? Blau sein ohne eine einzige Wolke? Warm ist es. Sonnig. Zu warm, zu sonnig. Das Wetter hat etwas Provinzielles. Es verströmt einen Hauch von Prekariat neben der salzigen Luft des Meeres und reiht sich damit gut in die Riege einiger Strandbesucher ein, die kein Modebewusstsein aufzeigen. Da ist kein Glamour. Fremdschämen ist angesagt bei dem Anblick dieser hässlichen Fetzen auf noch hässlicheren Körpern. Eine Diät, ein bisschen Sport, ein Friseurbesuch, das ein oder andere Trendteil, ein bisschen Make-up, aber nein, man kann sehen, dass sie sich mit fettigen Pommes vollstopfen und sich samstags Fernsehsendungen mit Dieter Bohlen ansehen. Ich hasse sie. Ich hasse sie abgrundtief. Eine dicke Frau mit schwabbeligen Elefanten-Oberschenkeln kommt an Adam und mir vorbei. Geh mir aus der Sonne, du fette Qualle, denke ich. Sie bleibt neben uns für eine Minute stehen und sieht auf ihr Handy. Geh mir aus der Sonne, du fette Qualle. Ich muss weinen. Heiße Tränen kullern über meine sonnengeküssten Wangen, aber zum Glück bemerkt das niemand, weil ich meine Dolce & Gabbana-Sonnenbrille trage, die ich mir in Sardinien gekauft habe. Ich sehe auf meine Oberschenkel. Sie sind schlank. Ich atme ein, atme aus. Ich greife nach meinen Zigaretten. Ich nehme mein Handy und tue so, als würde ich ein Gespräch führen. Ich rede laut, damit es jeder hören kann. Sie sollen wissen, dass ich nicht eine von ihnen bin. Ich rede auf Englisch, damit sie nicht verstehen können, was ich sage. ‘Contract’, schreie ich. ‘Darling’, schreie ich. ‘Business meeting’. ‘Yes’. ‘I’m flying tomorrow.’ ‘Yes’. ‘Mit wem hast du da geredet?’, fragt Adam, als ich aufgelegt habe. Ich falle ihm weinend um den Hals. ‘Ich hasse sie alle’, schreie ich. ‘Sie begreifen nichts.’ Abends gehen wir in ein Restaurant. Adam isst ein Steak. Ich trinke nur Weißwein. Ich zünde mir eine Zigarette an, aber sofort kommt ein Kellner und weist mich in gebrochenem Deutsch darauf hin, dass Rauchen hier verboten sei. Das hat man dann von der EU-Osterweiterung. Ich blase ihm den Rauch ins Gesicht. ‘Wissen Sie nicht, wer ich bin?’, frage ich.”

So bissig, so humorvoll. ”Wir kotzen in Farben” ist intellektueller, wachsamer Beobachter einer wenig intellektuellen, wenig wachsamen Zeit. Er hält der Gesellschaft gekonnt den Spiegel vor und umschreibt das Lebensgefühl einer Generation, die alles hat und alles sein kann. Man klappt den 200-Seiten-langen Roman zu und möchte gleich noch mal von vorne anfangen. Urkomische Witze auf Meta-Ebene, philosophische Ansätze, Lustgewinn, das Streben nach Schönheit, die Schönheit selbst, geistige Tiefe und Verschwendung, ja, Dekadenz zeichnen diesen Roman aus. Reismanns tieftrauriges, packendes Debüt ist Wegweiser für die deutsche Literatur. Das ist ganz herrliche Mitteleuropäerinnen-Prosa.

”Wir sind beim Nobel-Italiener. Seht mal”, sage ich und zeige auf ein Mädchen, das draußen vorbeiläuft. Das Mädchen hat grüne Dreadlocks und trägt zerrissene Kleidung. ‘Wie sieht die denn aus? Ih, wie kann man sich nur so gehen lassen”, sage ich und lache. ‘Man muss auch ein bisschen mit der Mode gehen. Die fährt bestimmt nach Afrika und macht da Charity-Work, weil sie denkt, dass sie damit die Welt retten kann.” Ich lache. ‘Wollen wir uns über Popliteratur und Mode unterhalten, ja?’ und Mareike, Lea, Yvonne, Kiki und Lina lachen und stimmen zu. Sie sind meine ‘Freundinnen’, aber ich hasse sie. Ich habe Freundinnen, weil sich das so gehört. Ich hasse sie so wie ich das Mädchen mit den grünen Dreadlocks hasse. Sie sind frivol und durchschnittlich, hässlich, dumm und austauschbar. Es ist nur so schwer brauchbare, präsentable Freunde zu finden, die nicht schöner als man selbst sind und auf Abruf bereitstehen und da muss man sich eben mit diesen Schlampen begnügen, wenn die wichtigen, einflussreichen Menschen keine Zeit haben. Allein essen gehen will ich ja auch nicht. Das wäre mir irgendwie peinlich. Kiki stopft Brot in sich rein. Ich wünsche mir, dass sie fett wird. Sie soll kugelrund werden. Ich möchte die Schlankste sein. Nicht diese Dorfmatratze. Ich sage, dass ich nächste Woche in einer Fernsehsendung auftrete und dass ich nicht weiß, was ich anziehen soll.
Natürlich weiß ich das. Ich lache und sage: ‘Wen habt ihr denn diese Woche so gefickt?’ Gott, wie ich sie hasse. Die Beine breit machen und shoppen ist das einzige, was sie können.”

sind pfiffige, bitterböse Sätze typisch für Reismann.                                                 

Frau Reismann wird nicht zu Unrecht als das neue Wunderkind der deutschsprachigen Literatur gehandelt. Frenetisch gefeiert wäre angemessener. Jeder sollte ”Wir kotzen in Farben” lesen und etwas über sich und die Menschen lernen. Ihr Roman regt zum Denken an. Er ist tiefgründig und berührend.

Sätze wie ”Soll ich mit dem Ritzen anfangen oder ins Fitnessstudio gehen? Ach nee, ich gehe ins Fitnessstudio. Narben sind so hässlich und dann fragen einen Menschen, warum man Narben hat und man kann keine kurzärmeligen Sachen mehr tragen. Ritzen ist auch irgendwie zu emo. Es ist nicht mehr 2006.” oder ”Es ist Vormittag. Ein Vormittag zäh wie Kaugummi. Ich habe frei und weiß nicht, was ich mit diesem Vormittag anfangen soll. Der Vormittag steht da vor mir wie ein Berg und ich soll auf ihn drauf wie ein Bergsteiger, hoch auf den Gipfel, aber ich habe meine Bergsteigerschuhe vergessen und was man sonst noch so braucht, aber das interessiert den Vormittag nicht. Niemanden interessiert irgendetwas. Das Wetter ist auch mal wieder da und wettert so vor sich hin, aber ich versuche es nicht zu beachten. Nein, nicht heute. Ich rauche eine Zigarette und checke meine Twitter-Follower. Ein Physikstudent, der World of Warcraft spielt, folgt mir jetzt. Ich blockiere ihn”,

spiegeln eine Generation der Orientierungslosigkeit und Wohlstandsverwahrlosung wider. Reismann verzweifelt an ihrer gleichgültigen Generation und am Unverständnis und der Ignoranz ihrer Mitmenschen. Es ist ein radikaler Roman. Ein literarisches Meisterwerk. Wer braucht schon New York, London, Paris oder Tokio, wenn man Berlin hat. Deutschland, du Land der Dichter und Denker, hast endlich wieder einen großen Literaten hervorgebracht. Die Popliteratur geht in die nächste Runde. Berlin ist der Nabel der Welt.
Kaufen Sie ‘Wir kotzen in Farben” mehrfach und verschenken Sie es an Freunde und Bekannte. Sie werden dafür dankbar sein.

Ich vergebe 10 von 10 Sternen.
Morgen:

Literatur-Gnom Erna Knauziger, die ”Autorin des kleinen Mannes”, kommt nach Deutschland auf große Lesereise. Wie hat es diese stämmige, gedrungene 60-jährige Dame mit ausgeprägtem Damenbart und zauseligem, grauem, ungefärbtem Haar und wenig zeitgemäßem Gouvernanten-Schick nur geschafft so bekannt bei unseren kleinen Nachbarn in Österreich zu werden mit ihrem nicht sonderlich unterhaltsamen Prekariats-Gossen-Kitsch? Muss Literatur über arme Leute auch armselig geschrieben sein? Verstehen wir die Ösi-Literatur nur nicht? Passiert das, wenn man die Frauen in der Alpenrepublik aus dem Keller lässt? Thomas Krause geht der Sache auf den Grund.

Es heißt ”auf Sardinien”, denke ich. Ich möchte noch mehr Wein. Ich würde gerne auf einem Dach sitzen. Winedrunkenness over the rooftops wie bei Gingsberg. Ich bleibe noch hier, bis ich betrunken bin. Noch ein bisschen mehr betrunken. Nur noch ein bisschen.

Die Menschen unterhalten sich. Sie stehen um Reismann herum oder lachen und plaudern miteinander. Reismann lacht immer mal wieder laut. Sie hält ein Glas Weißwein in einer Hand und eine Zigarette in der anderen. Sie fährt sich durchs Haar. Jemand möchte ein Bild von ihr machen. Reismann sieht sich zuerst in einem kleinen Handspiegel an, den sie aus ihrer Handtasche holt, zieht die Lippen nach und sagt dann: ”Okay.” und grinst. ”Welche Publikation?”, fragt sie.

Ich setze mich an einen Tisch. Es gibt kostenlose Zeitungen. Ich nehme mir eine und blättere darin. Es gibt einen Artikel über ”Wir kotzen in Farben” mit fünf Bildern von Reismann im Feuilleton. Sie macht entweder einen Kussmund oder ihre Lippen sind halb geöffnet. Es gibt ein Bild von ihr, wo sie ein weißes Männerhemd trägt. Sie sitzt auf einem Bett mit zerzaustem Haar und leicht verschmiertem Make-up. ”Bettlektüre” steht unter dem Bild. Auf einem weiterem Bild trägt sie ein Cocktailkleid, hohe Schuhe, sitzt sie auf der Motorhaube eines Sportwagens, raucht eine Zigarette und liest in einem Buch. ”Was Männer lieben. Autos und schöne, kluge Frauen. Fehlt nur noch Fußball.” Es gibt noch ein Bild von ihr am Strand mit Sonnenbrille. Sie trägt ein legeres Kleid mit Schal. Sie hält eine Flasche Wein in der rechten Hand und ein Weinglas in der linken und sitzt auf einem Handtuch. ”Es war leider noch zu kalt für Bikini oder Badeanzug.” steht da. Das vierte Bild zeigt Reismann und einen dunkelhaarigen, anzugtragenden, großen, leicht speckigen Mann mit Geheimratsecken und einem Mondgesicht, der Reismann im Arm hält. ”Reismann mit ihrem Mentor und Entdecker Friedbert Wiedekind im Borchardt”. Reismann trägt ein goldenes Pailletten-Kleid und einen Push-up-BH. Auf dem fünften Bild trägt Reismann Indianerfedern, hält eine Hand vor den Mund und macht ein albernes Gesicht. ”Reismann kann auch verspielt.”

Ein Mann namens Horst Wumms, ein Literaturkritiker, schreibt

 

Mit Wumms

 

Ein Wunderkind der deutschen Literatur

Wir haben für Sie exklusiv einen Vorabdruck des Romans des Jahres, vielleicht auch des Jahrzehnts, von Lona-Frauke Reismann, Liebkind der Medien, Stimme ihrer Generation, mit anschließendem Kommentar von Horst Wumms, der hier seine Lieblingsseite von ‘Wir kotzen in Farben’ mit Ihnen teilt.

”Ich kaufe mir einen Kasten Evian in einem Supermarkt mit meiner neuen Kreditkarte. Da ist so ein hässliches Muster drauf mit Farben, die so gar nicht passen, so als wären es die Haarfarben von einer Ossi-Frisöse, die sicher auch noch hässliche Mainstream-Tattoos und Piecings hat und sich in der Dorfdisko am Wochenende von irgendjemanden für ein paar ausgebene Barcardi-O auf der Toilette schwängern lässt. Ich seufze. Leider wird einem in Deutschland nicht wie in den USA von den Angestellten des Supermarkts der Einkauf bis zum Auto getragen und ich muss den Kasten selber bis zum Taxi schleppen. Das ist mir peinlich. Es bieten mir auch keine Männer Hilfe an. Ich habe mal gelesen, dass es so Emanzen gibt, die sofort schreien, wenn man ihnen die Tür aufhalten will. Denen habe ich das wohl zu verdanken. Ich remple eine alte Frau auf der Rolltreppe an, weil ich mit dunkler Sonnenbrille nicht so viel sehe. Da ist ein Mädchen, das Uggs trägt. Ich seufze. Wohl aus Brandenburg. Ein Junge steht vor mir und schaut auf sein Handy und swiped nach links und rechts. Er sucht wohl Tinderella auf Tinder. Ich habe das nicht nötig. Ich remple ihn an. ‘Chill mal deine Basis”, sagt er. Ich sehe ihn verächtlich an, aber er kann es nicht sehen wegen meiner Sonennbrille. Das Taxi wartet. Bei meinem Auto werden neue Ledersitze reingemacht und ich fahre jetzt so oft Taxi. Ich habe auch Rosen gekauft. Zuhause erst mal ein Bad. Sechs Flaschen sind zu wenig, um die ganze Badewanne zu füllen. Adam kauft mir das ja sonst, aber Adam ist geschäftlich verreist. Ich seufze und streue die Rosenblätter ins Badewasser und muss Leitungswasser nachfüllen. Es ist schon irgendwie Luxus mit dem Wasser, aber es ist leider geil, denke ich. Gönnung. Ich bin jung, schön, intelligent und selbstbewusst. Ich habe es mir nicht aussgesucht in Deutschland geboren worden zu sein. Ich habe mir nicht ausgesucht Eltern zu haben, die nicht arm sind. Ich möchte auch nicht tauschen. Soll ich auf ein bisschen Luxus verzichten, weil ihn andere nicht haben? Weil man mir einredet, dass ich deshalb irgendwie traurig sein soll? Das sehe ich nicht ein. Das würde ihnen doch auch nicht helfen. Ich bin doch auch so schon traurig. Es ist normal egoistisch zu sein. Bescheidenheit liegt mir einfach nicht. Das lag mir noch nie. Die Welt ist in Arme und Reiche unterteilt. Das ist einfach so. Warum gibt es denn sonst Könige? Reiche? Ich wäre ja auch gerne eine Königin und bin es nicht. Was habe ich mit Armen gemein? Nichts. Ich trage schon meinen Bademantel aus Seide, den mir Adam geschenkt hat, und habe die Haare hochgesteckt, da klingelt es an der Türe. ‘Fanny”, ruft die Alte aus der Wohnung unten. ‘Können Sie bitte auf Hundi aufpassen?’ Hundi ist der hässliche Pudel von den Nachbarn. Ich habe Angst, dass er mir die Wohnung vollpisst und darum leine ich ihn im Flur an die Heizung an. Die Nachbarn sind alt und einmal habe ich mich mit ihnen ein bisschen gestritten, weil ich gesagt habe, dass alte Menschen irgendwie nicht in Berlin wohnen sollten. Die nehmen nur die Wohnungen weg und könnten auch an den Stadtrand oder in den Osten ziehen. Da ist doch genug Platz. Adam und ich suchen auch schön länger nach etwas Größerem und finden nichts. Ich wollte einen Artikel darüber schreiben und habe die Nachbarn dazu befragt, was ich schreiben könnte. Ich tue mich da manchmal beim Schreiben schwer, weil mir nicht immer so viel einfällt. Es reden doch immer so viele über Gentrifizierung. Es gibt zu wenig Wohnungen, blabla. Ja und was ist mit den Rentnern in Berlin? Da steckt ja schon das englische Wort ”Rent” drin von to rent. Mieten. Die können doch mal Platz machen und nicht so egoistisch sein. Ich biete nur Lösungsvorschläge. Da wurden die Nachbarn voll sauer irgendwie. Ich habe es aber wieder hingekriegt, dass die Nachbarn wieder runterkommen von ihrer Empörungswelle. Ich habe denen so einen Fresskorb geschenkt, den ich selber mal geschenkt bekommen habe und habe mich bei ihnen entschuldigt. Ich habe gesagt, dass das Satire war und Satire darf alles. Ich hätte es mir aber auch lustig vorgestellt wie die auf mich zugefahren wären in ihren Rollatoren mit Mistgabeln in der Hand. Ich weiß nicht, wie spät es ist. Ich weiß nicht, wie das Wetter ist. Das Bad tut echt gut. Der Schaum ist so schön weiß und fluffig irgendwie. Das Bad. Es tut gut. Bin ich glücklich oder wirken die Antidepressiva wieder?”

Das ist er also, der Vorabdruck. Exklusiv für uns. Was soll man da sagen? Was für Worte können einem einfallen? Diese Wortspiele, diese Komik. Das Zeitalter der neuen Ehrlichkeit ist angebrochen. Unverblümt sagen, was man denkt. Keine übertriebene Political Correctness mehr wie von den sogenannten Gutmenschen verlangt. Kein Meinungs-Diktat mehr. Einfach mal frei Schnauze sagen, was man denkt. Das macht Reismann oder lässt es ihre Ichprotagonistin machen, die so viel gemeinsam mit Reismann hat, dass man nur schmunzeln kann. Wer sie kennt, wer mit ihr per Du ist wie ich, weiß, das ist sie. So ist sie. Sie verstellt sich nicht. Sie braucht sich nicht zu verstellen. Sie ist eine Ikone. Man liest dieses Buch und es ist als hätte man einen Kelch Jugend getrunken. Ja, ich bin betrunken von ‘Wir kotzen in Farben’. Bim bam bum bumeling ding ding dong dongeling dung.
200 Seiten Wahrheit, 200 Seiten Sozialkritik. Reismann arbeitet beinahe wie ein Soziologe, der unsere Gesellschaft und besonders die Generation Y mit einer unfassbaren Beobachtungsgabe festhält, entlarvt.
Der schwankende Junge, noch jünger als Reismann, auf der Rolltreppe, der Zunder sucht und sie verschafft sich Platz auf der Rolltreppe, muss sich Platz verschaffen, und er sagt chillen, Jugendsprache für sich erholen, und benutzt das Nomen Basis und er will ihr damit sagen: ”Nein, ich nehme dir nicht den Platz weg. Noch nicht. Ich bin noch zu jung. Du bist die Basis. Ich schwanke doch noch. Ihr seid noch an der Macht.” und da ist der verächtliche Blick der Icherzählerin, der besagt, dass sie ihr Revier verteidigen konnte wie das bei Hunden ist. Noch. Deshalb erwähnt sie daraufhin auch den Hund Hundi. ”Chill” ist ein modernder Terminus und dass der Junge nicht etwa ”Chill your base” auf Englisch sagt wie das vermutlich ein noch jüngerer Jugendlicher machen würde, zeigt, dass er schon nach oben strebt. Dass er schon langsam in der Gesellschaft ankommt und sich vom jugendlichen Welpen-Dasein lösen möchte. Dass er Reismanns Generation, der heute 20- bis 35-jährigen, der sogenannten Generation Y, den Platz streitig machen möchte, denn da steht schon die Generation Z in den Startlöchern. ”Kobra, übernehmen Sie” würde man in meiner Generation sagen. Raffiniert wie Reismann hier den Culture Clash der Generationen aufzeigt. Die Jungen sind noch nicht stark genug für Reismanns Generation und die Alten müssen nun mal Platz für die Jungen machen. Da wird von der hübschen 24-jährigen Blondine nicht das Rad neu erfunden. Das ist eben so. Die alten Nachbarn, die unten im Haus wohnen und der Junge auf Rolltreppe. Das zeigt auf, dass Reismanns Generation die Alten überholt hat und dass aber die Jungen bereits auf der Rolltreppe fahren. Der begnadeten Jungautorin gelingt ein Geniestreich. Egoismus ist nicht mehr verpönnt in Reismanns Generation. Egoismus ist jetzt etwas, worauf man stolz sein kann und das ist auch gut so. Keine falsche Bescheidenheit mehr, weg damit. Da wird sich befreit aus dem Bescheidenheitskorsett und zum Vorschein kommen Flügel und damit flattert man munter durch die Gegend. Frei. So frei. Wie ein schöner, junger Vogel. Zwitscher zwitscher trschtsch trschtrsch brrng brring tralala. Nur keine Bescheidenheit mehr mehr, ja? Prima. Bescheidenheit hat die schöne Reismann auch nicht nötig. Frau Reismann ist jemand mit dem man nach Venedig in den Urlaub fahren möchte und dann isst man in den besten Restaurants und bestellt in schon etwas eingestaubtem Italienisch, weil man schon länger nicht mehr im Urlaub in Italien war, Pizza oder Pasta und noch dazu vielleicht Antipasti, Salat und Grappa und weitere kulinarische Köstlichkeiten der italienischen Küche, die munden und lädt Frau Reismann ein, wie sich das für einen Gentleman der alten Schule wie mich gehört und sie strahlt, strahlt so wie die Sonne, cui sole, und natürlich isst sie genug, aber nicht so, dass sich ihr Bauch wölbt, denn dazu ist sie dann doch zu eitel, eine schöne Frau würde das nicht tun, weil, wer möchte schon eine Wampe und ja, man schlendert durch die malerischen Straßen und schnuckeligen Gässchen, ganz romantisch und lieblich und man hört Glocken blin blin plon plon bun bun ban ban und die triebigen Italiener pfeifen pfeif pfeif pf pf puff und sie feixen hrch hrch und rufen ”Bella bionda” und auch die in den Gondeln rufen hui he hio ho hu und man ist wahnsinnig stolz mit einer Frau wie Reismann unterwegs zu sein, die nicht nur schön ist, nein auch intelligent, klug, witzig, selbstbewusst. Sie ist wie das Pin-up der deutschen Literatur. Gute Erziehung, gutes Elternhaus, das beste Internat und dazu auch noch ein kleiner Wildfang. Man sagt ihr Beziehungen mit dem Filmroduzenten Dietmar Huflinger, dem Star-Anwalt Alexander Grobe, dem international bekannten Model Rick Richter und Nachwuchs der Schauspielerin Doris Richter und dem Literatur-Kritiker Georg Klos nach. Derzeit ist sie mit dem Literatur-Mogul Breitling liiert. Sie sagt, sie raucht und trinkt gern. Drogen hat sich schon mal probiert, als sie jünger war. Sie war auch schon einige Male die ganze Nacht wach und feierte wild mit einer Blase junger, wichtiger Hauptstadt-Leute. Ein kleiner Rebell also.
Vom Internat wäre sie damals beinahe geflogen, weil sie Mädchen Enthaarungscreme ins Shampoo schmierte. Spricht man sie heute darauf an, lacht Reismann und sagt: ”Das war doch nur ein Witz. Ich war jung und naiv. Ich hasste die meisten meiner Mitschüler. Eigentlich alle. Jetzt kann ich es ja sagen. Ich hasste die, die dümmer waren und das waren eigentlich alle.” Sie lacht und nimmt einen Schluck von ihrem Weißwein. Wir sind in einem Café in Mitte, ihr Stammlokal. ”Ich hasste die Hässlichen aus ästhetischen Gründen und die Armen, die Stipendien hatten und neidvoll auf die mit Designer-Klamotten waren”, sagt sie. ”Das war so erbärmlich irgendwie. Sie taten mir auch nicht leid, wenn sie gemobbt wurden. Ich hielt mich eher im Hintergrund, weil ich schon früh wusste, dass ich ein sensibler Schriftsteller bin und es war schwierig für mich, mich mit meinn Mitschülern auf eine Stufe herabzustufen. Dabei waren wir ja in einer Stufe.” Sie lacht und zieht an der Zigarette. ”Man sagt doch Stufe? Wie ein Jahrgang, meine ich? Ich meine das aber vom Niveau her. Ich war darum viel allein. Ich aß oft allein und nicht mit meinen Mitschülern. Das war schwer für mich. Ich hasste die Reicheren und ich hasste die, die auch schön waren. Warum soll ich das nicht sagen dürfen, dass ich sie hasse? Es wird mir ja oft vorgeworfen, dass meine Eltern reich sind, aber das stimmt ja nicht, wenn ich an meine alten Mitschüler denke. Da gab es viel Reichere. Die haben Häuser in Sylt und Stadtwohnungen und Häuser im Ausland und Gestüte und fliegen mit dem Hubschrauber und die gaben ihr Taschengeld für Koks und Handtaschen aus. Wir sind nur untere Oberschicht. Ich musste für Handtaschen sparen. Die hatten 25 und mehr pro Halbjahr und ich nur eine. Die bekam ich von meinen Eltern und manchmal bekam ich noch welche von meinen Großeltern. Ich wollte es denen zeigen und dann habe ich das mit der Enthaarungscreme gemacht. Ich konnte ja nicht wissen, dass ich die einzige bin, die es schafft berühmt zu werden. Ich meine, die ganzen schönen und reicheren Mädchen, was machen die? Die haben geheiratet oder arbeiten in den Familienunternehmen. Ich habe das nicht nötig. Die haben mich doch gemobbt. Die meinten, ich sei arrogant, aber ich war doch nur ehrlich. Einmal haben sie mich schlagen wollen, weil ich im Deutsch-Unterricht sagte, dass sie einfach gar nichts checken und die Gedicht-Interpretationen von denen schlecht sind und die es eigentlich auch gleich lassen könnten. Ich sagte, dass sie sich diese Interpretatons-Hilfen, diese Büchlein, nicht kaufen brauchen, weil sie zu dumm sind und dass ihre Hausaufgaben lieber das Personal schreiben sollte, wenn sie am Wochenende mal nach Hause fahren und wenn sie nicht nach Hause fahren, könnte das Personal im Internat, wie die Berta aus der Internatsküche, die Hausaufgaben schreiben. Die könnten es sicher besser.” Reismann lacht. ”Ich habe es dem Lehrer gesagt, dass sie mich schlagen wollten und dann waren die so sauer und die Lehrer mussten mich schützen und das war so schlimm für mich und ich habe geweint und das war schon echt Mobbing. Ich leide heute noch darunter, aber wer schreibt jetzt Bücher? Wer ist in den Zeitungen? Ich. Es ist ein später Triumpf für mich, den ich sehr genieße.”

Reismann ist so intelligent wie kaum jemand in ihrer Generation und auch so produktiv. ”Ich schreibe schon an meinem nächsten Buch”, sagt sie. ”Es gibt um eine sexsüchtige Kleptomanin, die mal gemodelt hat. Ihr Vater ist Politiker und so. Natürlich spielt der Roman in Berlin.” Sie lacht. ”Schreiben ist so schwer für mich. Ich habe irgendwie keine Fantasie und muss immer voll lang überlegen, was ich schreiben soll. Das sprudelt ja nicht aus mir heraus. Schreiben ist so hart irgendwie, aber ich bekomme so viel Lob, dass ich wegen der Leute nicht mit dem Schreiben aufhören kann. Ich weiß ja, dass ich Talent habe, aber ich mag Schreiben nicht. Ich wünschte, die Leute würden mir einfach so Geld geben für meine Twitter-Posts. Das geht doch so schnell und da bin ich so witzig.” Sie lacht wieder und sieht jetzt sogar noch schöner aus als sonst. Ich erstarre vor Ehrfurcht. Eine Achterbahn der Gefühle tobt in mir. ”Ich muss leider Bücher schreiben, weil ich so talentiert bin und weil ich es den Leuten schuldig bin”, sagt sie. ”Es macht die Leute glücklich. Ich muss auch weiterschreiben, weil ich keine Lust auf einen richtigen Job mit festen Arbeitszeiten habe. Das wäre mir zu stressig. Jemand wie ich muss sich aber einfach der Welt mitteilen. Ich habe so viel zu sagen.” Dem bleibt nichts hinzufügen.

Wir kotzen in Farben

Erschienen im Koalemos Verlag
Ich trinke noch ein Glas Wein. Ich öffne die Seite von Amazon und lese eine Bewertung.
”Ich hätte dem Buch so gerne 5 Sterne gegeben”, schreibt Buchchecker00 und gibt vier Sterne. ”Ich habe nur nicht verstanden, um was es da eigentlich geht. Ich denke, dass es einfach zu intellektuell ist und ich bin das so nicht gewöhnt. Man muss vielleicht schon Berliner Hipster sein, um das zu vestehen und ich komme ja aus Bielefeld und ja, das gibt es. Es ist aber ein gutes Buch über unsere Generation und ich werde den Werdegang der Autorin weiterhin verfolgen und mir auch ihr nächstes Buch kaufen. Ich folge ihr schon auf Twitter. Vielleicht muss ich das Buch auch nur noch mal lesen. Ich werde meine Rezension dann natürlich ändern, wenn ich es verstanden habe. Das Cover ist schön.” 15 Personen fanden diese Informationen hilfreich.

Eine weitere

Lina Brüner gibt fünf Sterne und schreibt: ”Ich habe voll lange nicht mehr Bücher gelesen und wegen Frau Reismann lese ich jetzt wieder. Ich habe einfach so eine kurze Aufmerksamkeitsspanne irgendwie. Ich habe mir gleich gestern ihr Buch geholt, weil ich die erste Seite schon so gut fand. Ich habe die in der Buchhandlung gelesen und es machte sofort bäm. Das ist für mich ein super Buch, das echt zum Nachdenken anregt. Der Schreibstil ist echt der Hammer. Sie kann so gut schreiben. Ich könnte das gar nicht und auch, was sie schreibt. Der Inhalt. Das ist schon echt deeper Shit. Das berührt mich voll. Ich verstehe jetzt auch mich und meine Freunde besser. ”Ich weine viel und dann tapezier ich mir ein Lächeln ins Gesicht mit allen Dingen, die ich im metaphorischen Baumarkt finden kann und da ist da mein zusammengeschustertes Lächeln. Generation Why. Generation Cry.” Das hat mich so berührt. Ich würde mir das echt voll gerne als Tattoo machen lassen. Wenn Frau Reismann das hier liest, kann sie ja vielleicht mal darauf antworten, weil ich weiß nicht, wie das ist mit dem Urheberrecht? Das Cover ist auch voll schön mit der Regenbogen-Fahne. Das ist aber keine Homo-Fahne. Das steht für die Farben, die gekotzt werden. Darauf muss man erst mal kommen. Oder die Stelle, wo sie ihren Smoothie mit Vodka trinkt und bei Twitter schreibt: ”Sexarbeit ist ein Euphemismus, Julia Hellwege. Du bist einfach eine Nutte.” und dann Angst hat wegen Beleidigung verklagt zu werden und dann sagt, dass sie gehackt wurde und das nicht selber geschrieben hat. Ich habe so gelacht. Danke, Frau Reismann für dieses Buch.” 10 Personen fanden diese Information hilfreich.

Es gibt zusätzlich noch eine kostenlose Leseprobe. ”Es gibt eine Zeit, wo der Betrieb der Maschine soverabscheuungswürdig wird”, denke ich. Hier der Betrieb der Vermarktungsmaschine. Die Jungautorin liest in einem Video aus ihrem Buch vor. Sie wirft der Kamera einen überheblichen Blick zu. Sie räuspert sich und beginnt zu lesen. Ich mache das Video schnell aus. Es gibt hier freies WLAN. Ich zögere und frage mich, ob ich nicht schon genug von Reismans ”Prosa” hatte. Ich habe Interessanteres und Bedeutenderes auf den Toilettenwänden von Clubs gelesen. Ich bin schon betrunken. Noch ein Glas Wein. Ich öffne die Leseprobe. Ich lese lieber selbst:

”Draußen vor dem Restaurant macht ein Fotograf ein Bild. Ich denke, dass er von mir eines machen möchte, aber dann läuft da irgendein D-Promi vor mir. Irgendein Bodensatz-Promi bekannt aus Film und Fernsehen. Vielleicht auch der Sohn von jemand Bekanntem. Die Welt geht zugrunde. Dieses Land hat keine Kultur. Alle Menschen sind so lol oder rofl. Und da fragt mich noch jemand, warum ich Antidepressiva nehme. Ich bin allein beim Abendessen. Im ”Gastronom” stand, dass das Restaurant gut sein soll. Es ist geschmacklos eingerichtet. Der D-Promi sitzt an einem Tisch mit seinen Freunden oder Prostituierten. Mindestens eine hat Silikonbrüste. Sie haben sich vielleicht auch die Nasen machen lassen. Sie tragen zu viel Make-up und die Haare sind aufgehellt, die Haut gebräunt. Solche Menschen fahren sicher nach Ibiza. Es ist ein grässlicher Anblick. Ich sehe einen Schauspieler, der mit einem älteren Mann an einem Tisch sitzt. Ich habe mich schon mal bei einer Party mit ihm unterhalten. Ich setze meine Sonnenbrille auf. Er soll mich nicht erkennen. Einfach, weil ich es nicht aushalte, Gesellschaft zu haben. Einfach, weil ich allein mit mir und meinem Gedanken sein muss. Ich will sie nicht an andere Menschen verschwenden. Sie sollen nicht von meinen Gedanken abhaben. Sie sollen nicht daran teilhaben. Da ist ein Fest, aber sie sind alle nicht eingeladen. Nur ich, ich bin eingaleden. Mein Agent ruft an. Ich schalte das Handy aus. Der Kellner bringt mir mein Foie gras. Zum Dessert hätte ich gerne Melonensorbet. Ich schiebe das Essen auf dem Teller nach links und dann rechts und dann schiebe ich es wieder mittig und dann wieder links und rechts. Das ergibt eine ganz schöne Pampe. Dann sieht es so aus, als ob ich davon gegessen habe. Ich bin zu schwermütig, um zu essen. Da liegt eine bleierne Schwere auf dem Teller und in mir. Ich zahle. Ich gebe kein Trinkgeld. Es hat doch keinen Sinn. Würde der Kellner Geld haben wollen, würde er nicht als Kellner arbeiten. Dann hätte er sich doch mehr in der Schule angestrengt und hätte einen vernünftigen Job. Da nützt es auch nichts, dass er in einem guten Restaurant arbeitet und in keinem vorstädtischen oder da, wo arme Leute wohnen, die vielleicht auch einmal im Jahr ins Restaurant gehen wollen zu besonderen Anlässen, falls es so etwas bei ihnen gibt. Der Kellner will nicht mein Geld oder das Geld von irgendwem. Er hat vielleicht zwei dicke Kinder, die ein bisschen dumm sind und im Sportunterricht bei Spielen immer als letzte gewählt werden und seine Frau wird auch immer dicker und klug war sie noch nie. Schön war sie vielleicht für ein paar Tage, am Anfang, als sie sich kennenlernten, und man heiratete aus reiner Pragmatik, weil man das eben so tut und dann saß man zusammen fest in der Misere und sparte auf ein Reihenhaus ohne Balkon mit einem kleinen Garten und Zaun, einem Bad und einer Gästetoilette, aber es reichte nur für eine beengte Wohnung am Stadtrand in einem Hochhaus und die zwei Kinder teilen sich ein Zimmer mit Stockbett und haben einen Autoteppich und da hängt ein Poster eines Fußballspielers über dem Bett, es hängt schief, und man hat sich damit abgefunden, hat sich mit dem Elend arrangiert und hat keine Träume mehr und streicht nur mal etwas in der Fernsehzeitung an oder sieht sich ein Lidl-Prospekt an. Auf der Straße ist das Wetter und die Stadt und in ihr die Menschen. Die Menschen leben nicht im Indikativ. Sie sind Marionetten, aber niemand hält die Fäden. Die schlackern lustlos am Boden und machen sich nicht mal die Mühe bei Wind ein bisschen hoffnungsvoll hochzufliegen wie Schaukeln mit glücklichen Kindern mit frischgewascher Kleidung drin. Schlaff hängen sie da, träge wie der Penis eines alten Mannes. Da ist nur Tristesse und die Menschen schlendern daher in ihren schlechtsitzenden Klamotten aus den Billig-Kaufhäusern. Billige Polyester-Fetzen von C&A, Primark, H&M, Pimkie und Orsay und was es sonst noch gibt, Taschen aus Leder-Imitat, schlechtsitzende Frisuren und sie stinken, weil ihr Deo versagt hat und die Schuhe sind billig, weil alles an ihnen ist billig ist. Austauschbare Mode, austauschbare Menschen. Sie jagen Schnäppchen, weil sie selbst Schnäppchen sind und wenn sie doch mal jemand kauft, will man sie dann meist auch gar nicht mehr haben, wenn man zuhause ist und wartet nur auf die passende Gelegenheit sie mal zu tragen, die ja dann doch nicht kommt und dann stellt man diesen Fehlkauf, diesen blamablen Fehltritt, ganz hinten ins Regal oder wirft sie in den Schrank, wo sie dann mit den anderen Schnäppchen versauern und Staub fangen und man wirft ihnen vielleicht noch ein paar Mottenkugeln nach und dann stinken die Schnäppchen nach Staub und Mottenkugeln und werden irgendwann weggeschmissen oder in die Altkleidersammlung gegeben, wo sie hingehören und später will sie dann niemand mehr, nicht mal die Leute in Afrika, wo man die Schnäppchen auf einem alten, maroden Kahn hinschifft und selbst der Kahn ist sich zu fein für die Schnäppchen. So Menschen sind das Ich begegne den Nachbarn im Flur. Sie sind ausgesprochen hässlich. Sie hat rotgefärbtes Haar mit einem dunklen Ansatz, der schon ein ganzes Stück herausgewachsen ist. Billig sieht das aus. Er trägt einen Pullover mit irgendeinem scheußlichen Bild vorne drauf, schlechtsitzende Billig-Jeans und hässliche No-name-Sneakers. Mitte 20, wohnen schon länger als ich in Berlin, aber alles an ihnen schreit ”Dorf”. Alles. Sie haben noch nicht mal ihren provinziellen Dialekt abgelegt. ”Guten Abend”, nuschle ich, aber ich lüge. Ich wünsche ihnen keinen guten Abend. Ihr Flatscreen-Fernseher soll kaputtgehen und die Tiefkühlpizza soll verbrennen, das Kondom soll reißen und sie wollen ja jetzt sicher noch keine Kinder, wenn überhaupt, weil beide noch studieren und im Fernsehen soll nichts Gutes laufen, bevor er kaputtgeht und das WLAN soll nicht gehen. Ich bin im gleichen Alter und habe so viel mehr erreicht. Adam schläft schon. Die Nacht hat Stunden und die Stunden kriechen vor sich hin wie alternde Schnecken und man kann ihnen nur langsam dabei zusehen, wie sie vor sich hin kriechen. So langsam sind sie. Das Rollo unten, der Wecker gestellt. Ich sollte Yoga machen. Das sagen doch immer alle. ‘Mach Yoga.’ Eifrige Birkenstockträger, die gern Tee trinken, sagen das und Menschen, die nach Indien in den Urlaub fahren. Ich will kein Yoga machen. Ich will nicht wie einer von den Birkenstockträgern werden oder nach Indien in den Uraub fahren. Ich lege mich ins Bett, erst ein Bein, dann das nächste, ohne Yoga zu machen, und ich schlafe auch so ganz gut ohne Yoga, weil ich zu müde bin zum Traurigsein, nur heute bin ich das, und ich schlafe durch und wache nicht auf, nur heute mache ich das, das Durchschlafen. Ich lese noch mein Horoskop und dann schlafe ich ein. Ich schlafe ein und wache Jahre später auf oder vielleicht sind es auch nur acht Stunden. Ich ziehe meine neue Bluse an, die ich in der Boutique in einer Seitenstraße beim Rosenthaler Platz gekauft habe und schlüpfe in eine Jeans. Erst ein Bein, dann das nächste. Wie ins Bett, aber es nicht das Bett. Es ist die Jeans. Eine Jeans einer skandinavischen Modekette im mittleren Preissegment. Irgendeine. Die Jeans lässt meinen Po vorteilhaft aussehen. Ich mache ein Foto davon und schicke es Adam. Ich überlege kurz es meinem Ex-Freund zu schicken und dann zu sagen, dass es ein Versehen war, aber ich lasse es dann doch. Belfie nennt man das. Das Po-Bild. Bottom selfie. Das ist Englisch für Po-Selfie. Wer hat sich das nur wieder ausgedacht. Ich gehe vor die Tür, die Sonne kitzelt meine Nase. Die gelbe Sonne tänzelt durch die Häuserfassaden, tapst herum. Wärme. Sonnenstrahlen. Sonne. Ja, Sonne. Es ist die Sonne. Die Sonne sonnt sich, aber braucht keine Sonnencreme. Das macht sie zur Sonne. Ich sehe ein Graffiti oder wie das heißt. Es ist hässliches Geschmiere. Da hat jemand ”Stop gentrification” an eine Hauswand geschrieben. Es muss schrecklich sein ein Hausbesitzer in Berlin zu sein, wenn man das immer überstreichen lassen muss. Ich muss Zigaretten kaufen, denke ich. Da sind Jugendliche. Ich hasse Jugendliche. Vielleicht haben sie sich Belfie ausgedacht. Sie tragen geschmacklose Kleidung und reden über dummes Zeug. Ein Mädchen mit langen, dunklen Haaren mit Mittelscheitel und hässlichen Paviananuslippen, das eine Leggings als Hose trägt und dazu noch eine Daunenjacke mit Fellkragen und grelle Nike-Schuhe, ein Mädchen, das sicher Selfies im Bad mit noch aufgeklapptem Toilettendeckel macht, redet laut. Ich kann nicht verstehen, was sie sagt, weil ich den von ihr gesprochen Soziolekt nicht verstehe. Es interessiert mich auch nicht. Ich frage mich nur, was sie hier in Mitte macht. Sie kommt nicht von hier und sagt ”sch” stat ”ch. Wie man die deutsche Sprache nur so verunstalten kann, frage ich mich angeekelt. Da ist ein Junge, der wie Justin Bieber aussieht und er trägt eine tiefsitzende, schwarze Jogginghose und Nike-Schuhe. Da ist ein Hanfblatt auf seiner schwarzen Wollmütze abgebildet. Wie dumm sie sind. Wie erbärmlich. Da sind noch mehr, aber ich beachte sie nicht, will sie nicht beachten. Sie sind wie umherschwirrenden Ratten oder Tauben. Sie gehen vor mir in die Kaffeekette rein, auf die ich auch hinzusteuere, aber sie halten mir nicht mal die Tür auf. Natürlich nicht. Sie hören laut irgendeine unerträgliche USBlack-Musik auf einem ihrer Handys. Ich höre wenigstens noch richtige Musik. So war ich nicht in dem Alter. Es ekelt mich an. Ich ziehe den Ärmel meines Kaschmir-Cardigans über meine Hand, weil ich kein Sagrotan dabei habe und öffne die Tür. Ich überlege kurz, ob das jetzt rassistisch von mir war wegen dem Mädchen, aber dann fällt mir ein, dass wir damals in der Schule, bevor ich ins Internat kam, einen ausländischen Jungen aus Afrika oder Asien oder so hatten, der adoptiert worden war und zu dem war ich meistens nett und außerdem ist auch mein Friseur, zu dem ich immer gehe, wenn Alex keine Zeit hat, irgendwie dunkel. Zu einer Frau würde ich nicht gehen. Die machen einem nur die Haare hässlich, weil sie neidisch sind, wenn jemand schöner ist. Ich kaufe mir einen Kaffee bei einer der Kaffeeketten, diese Instant-Koffein-Tempel, die die Stadt besiedeln. Da sitzen Menschen, 20- und 30-somethings, mit Macbooks und schreiben. Irgendwas. Was werden sie schon schreiben. Sie haben doch nichts zu sagen. Nichts. Sie schreiben an ‘Projekten’, so sagen sie, aber was sollen das für Projekte sein? Sie haben doch nichts zu sagen. Das hat ihnen nur noch niemand gesagt, aber warum soll ich mir die Mühe machen? Ich möchte ihnen die ‘Projekte’ kaputtmachen, weil sie nichts wert sind, weil nichts drinsteht. Diesen Schund wird niemals ein Verlag verlegen. Die Kaffeeketten. Ganz Berlin ist voll von ihnen und man kann sich ihnen irgendwie fast gar nicht entziehen, weil man auch mal so einen sterilen Pappbecher mit seinem Namen draufgeschrieben in der Hand halten möchte und dann schreibt da ein nicht sonderlich hübsches Mädchen, das Make-up trägt und Parfum, wofür sie vermutlich ein, zwei Monate sparen musste, aber es bringt auch nichts, und das Mädchen schreibt mit schnörkeliger Mädchenschrift meinen Namen auf den weiß-grünen Pappbecher und sie schreibt ihn mit einem I und das ist falsch und sie malt einen runden Kringel über das I und das macht es auch nicht besser, nur schlechter, und ich will ihr sagen, dass es schrecklich ist, dass alles schrecklich ist, will sie anschreien, doch ich bleibe stumm, weil ich weiß, dass sie es nicht verstehen würde. Sie wiegt sicher 70 Kilo, ich 49 1/2. Vielleicht findet ihr Freund sie zu hässlich, oder sie hat die Uni nicht geschafft oder sie hatte letzte Woche eine Abtreibung oder sie wollte an die Schauspielschule und wurde nicht genommen, vielleicht hat ihr Chantal mit den lila Glitzernägeln letzte Woche den Pony zu schräg geschnitten oder ihr Idol ist Alice Schwarzer, aber sie würde auch gerne mal bei Germany’s Next Topmodel mitmachen und dann passt das nicht, außerdem ist sie dafür nicht hübsch genug, vielleicht hat sie schon mal jemandem Nacktbilder von sich geschickt, aber dann kam dann nichts mehr zurück und sie wollte deshalb eine Diät machen und hielt es dann doch nicht länger als ein paar Tage durch und stopfte sich mit Fast Food voll und ihre Lippen glänzten von dem Fett des Essens als hätte sie durchsichtigen Lipgloss aufgetragen und später sah sie sich noch irgendeine langweilige Serie auf ihrem Macbook an mit den bunten Aufklebern, die sie hinten
drangeklebt hat und vielleicht studiert sie Grafikdesign, weil sie denkt, dass sei trendy und kreativ- vielleicht hat man ihr das in Brandenburg gesagt, wo sie herkommt oder vielleicht ist sie auch aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern oder Baden-Württemberg und vielleicht hat sie deshalb auch ein Vogel-Tattoo am Handgelenk oder im Nacken, weil das auch so trendy und kreativ ist und das will sie sein, nur das und vielleicht noch stylisch und modisch und vielleicht macht sie sich noch ein Septumpiercing, damit jeder weiß, dass sie auch noch eine rebellische Seite hat und grau-lila-gefärbte Haare sind eigentlich auch ganz schön, denkt sie, und sie wünscht sich einen H&M-Gutschein zu Weihnachten und sie will gar nicht individuell sein, warum sollte man das sein wollen, das ist doch zu mühsam, raunt sie und mault ein bisschen und vielleicht muss sie hier arbeiten, weil sie zu hässlich ist für Prostitution und vielleicht hat sie auch keinen Freund, weil sie selber denkt, dass sie zu hässlich ist und man muss sich selber lieben, um lieben zu können, habe ich mal irgendwo gelesen, und deshalb hat sie auch keinen Freund und nur einen hellblauen Vibrator, der wie ein Delfin aussieht und so steht sie da in ihrer Unzulänglichkeit, in ihrer durch und durch gewöhnlichen, wenig ansehnlichen Erscheinung, langweilig und trostlos wie die DDR oder ein zehnjähriges Klassentreffen in der Provinz und sie tut mir so leid und ihre Gedanken sind nur Worthülsen und vollgekleisterte Plakatwände mit irgendwelchen platten Slogans, ZahnpastaWerbung oder Hundefutter, und sie denkt an Blümchenbettwäsche und Detox-Tee und Modeblogs und Liebesromane und Muffin-Rezepte und ihre Wohnung ist mädchenhaft und stillos wie sie und ihr Gedanken egaler als egal und ich will sie rütteln, sie schütteln, ihr eine runterhauen und ich will, dass sie sich wehrt und mich schlägt und dann ist sie frei und erweckt und ich habe sie gerettet, sie springt dann vom Mittelalter in die Aufklärung, aber ich nehme nur gleichmütig wirkend den Kaffeebecher und verlasse das Café ohne danke zu sagen, ohne das Wechselgeld zu nehmen, weil ich diese Interaktion, dieses Zusammentreffen von zwei völlig unterschiedlichen Menschen, zwei Welten, nicht aushalte. Ich wirke gelassen, aber in mir tobt ein Sturm, der alles niederreißt. Ich rauche eine und inhaliere gierig. Ich trinke den Kaffee und sehe auf die Spree. Ich lecke mir Schaum von den Lippen. Sie sind weich, seit ich das Bio-Kokosöl benutze. So weich. Ein Bauerbeiter sieht mich lüstern an. Träum weiter, denke ich. Zwei Lesben oder effeminierte Männer, so genau will ich nicht hinsehen, sitzen auf einer Bank und trinken Sekt und sehen sich verliebt an. Rotkäppchen. Warum nicht gleich die Hausmarke des Supermarkts oder Rohrreiniger? Es hat wohl nicht für Champagner gereicht. Ich lache verächtlich. Ich will jetzt etwas Ekelhaftes tun, etwas Verbotenes. Ich sehe mich um. Ich sehe einen alten, schmutzigen Mann mit grauen Haaren, der Curry-Wurst verkauft. Er hat nur noch ein Bein, es ist ein Krüppel. Angewidert sehe ich ihn an. Ich gehe zu ihm und kaufe mir eine Currywurst. Ich schlinge sie in mich rein. Ich will kotzen, aber da kommen nur Farben. Farben. Ich lache.”

Ich bin schon ziemlich betrunken. Ich fühle mich innerlich seltsam leer.
Ich möchte nach Hause gehen.

Carlos möchte in eine Bar oder in einen Club, aber ich möchte nicht mit. ”Du kannst ja nachkommen”, sagt er.

Ich kaufe billiges Dosenbier. Ich kaufe es um kurz nach elf im Supermarkt am Kotti. Ein Mann mittleren Alters in zerschlissener Kleidung steht vor dem Regal mit den alkoholischen Getränken, betrachtet die einzelnen Getränke, Wein und Bier, und sagt mehrmals: ”Scheiß-Gesöff, Scheiß-Gesöff.”

Auf dem Bett liegen, mein Scheiß-Gesöff trinken, an die Zimmerdecke starren und an die Galaxie denken. Vielleicht lese ich auch noch ein paar Gedichte.

 

Lifestyle-Journalistin

”Chia-Samen”, schrie Sophia. ”Trendy Nahrung, Hipster”, murmelte sie. Sie haute in die Tasten auf ihrem Macbook Pro. Sie saß am Küchentisch. Kurz hielt sie inne, legte den Zeigefinger an die Lippen und atmete ein. ”Muss Essen so hip sein?” sagte sie. ”Wie schreibe ich das bissiger? More judgy? Es soll die Leser ja zum Nachdenken anregen und die Hater sauer machen.” Sie lachte und biss in ihren Avocado-Toast. Oder Avo-Toast, wie sie das nannte.

Sophia war Lifestyle-Journalistin bei einer überregionalen Tageszeitung.

Manfred betrat die Küche. Es war früh morgens. Er war noch ein bisschen verschlafen.

”Sophia, kann ich mir Frühstück machen?” sagte er.

”Du siehst doch, dass ich arbeite”, sagte Sophia sauer.

”Ja, ist gut”, sagte Manfred. ”Ich gehe dann mal Piranha füttern.”

Piranha war Manfreds Meerschweinchen. Es hieß Piranha, weil es versuchte Manfred beim Füttern zu beißen. Vielleicht hielt es aber Manfred Finger für Karotten. Detlef rauchte Kette und sie waren ein bisschen verfärbt.

Nachdem Manfred Piranha gefüttert hatte, setzte er sich aufs Sofa im Wohnzimmer und stopfte Zigaretten. Nach getaner Arbeit, rauchte erst mal eine. Er überlegte vielleicht zu Penny zu gehen.

Da rauschte Sophia ins Wohnzimmer. ”Mann”, schrie sie. ”Rauchst du schon wieder diese stinkenden Kippen? Alter.” Sie nahm eine von ihren aus der Designer-Tasche. Marlboro Lights. ”Rauch doch mal normale Zigaretten, ey”, sagte sie. ”Die hier raucht Kate Moss.” Sie wollte sich eine anzünden, aber fand kein Feuerzeug. Manfred gab ihr Feuer. Sie sagte nicht danke. Sophia rauchte lasziv wie Schauspielerinnen in Filmen. Sie hatte das lange vor dem Spiegel und vor der Kamera ihres Macbooks geübt. Na, gut. Sie rauchte vielleicht nicht ganz so lasziv wie die Schauspielerinnen und ganz so glamorös war sie auch nicht, aber sie war schon nicht so schlecht. Für Berlin.

”Wer?” sagte Manfred, aber Sophia antworte nicht. ”Ich habe eine Whatsapp bekommen. Kannst du mal kurz die Klappe halten? Meine Fresse.”

Sie setzte sich nun aufs Sofa, aber mit Abstand zu Manfred. Sie sah auf ihr Handy. ”Emilia Schüle”, sagte sie. ”DIE HÄSSLICHE SCHLAMPE”, brüllte sie. ”DUMME NUTTE.”

Manfred erschrak. Für gewöhnlich schrie Sophia nicht so. Sie beleidigte erfolgreiche Frauen für gewöhnlich in Zimmerlautstärke.

”Die denkt wohl auch, die wär’s”, fuhr Sophia fort. Sie war schon ganz rot im Gesicht.

”Was ist denn?” fragte Detlef zögerlich.

”Die war wieder bei einer VIP-Party und hat mehr Follower als ich. Dabei bin ich viel klüger und schöner. Diese Schauspielnutte. Was kann die schon.”

”Aha”, sagte Detlef.

Sophia sprang auf und ging in die Küche. Sie setzte sich an den Tisch und schrieb weiter an ihrer Kolumne.

”Ob die schöne Emilia Schüle auch trendy Hipster-Nahrung zu sich nimmt? Ist sie deshalb so schön?” schrieb sie. Dann schrie sie laut. ”AHHHHHH.” Der Nachbar von oben klopfte mit dem Besen. ”Halt die Fresse”, schrie Sophia. Sie war so sauer, dass sie sich zum Herunterkommen erst mal ein paar Youtube-Videos ansehen musste und danach noch eine Folge Die Bachelorette. Das war gut für ihr Ego sich diese unterbelichteten Tussis anzusehen, so dachte sie. Sie hatte es schon mit Germany’s Next Topmodel versucht,  und ja, die Määädels waren dümmer als sie, Sophia, aber auch um einiges jünger. Sie hatte vor lauter Wut drei Tage lang nichts gegessen und mit ihrem Freund Schluss gemacht.

”Ich brauche einen Kaffee”, sagte sie und packte das Macbook in die Ledertasche, die sie sich in München gekauft hatte, als sie zu Besuch bei Larissa war. Sie ging in ihr Stammcafé, das genau gegenüber der Wohnung lag.

Sie bestellte sich einen Kaffe für 7.99. ”Überteuerter Szene-Kaffee”, schrieb sie. ”Warum tut es nicht normaler Filterkaffee? Der Kaffee als Statussymbol.”

”Boah, du bisch die Sophia? Ich les deine Artikel voll gerne”, schwäbelte ein dickliches Mädchen zu Sophia. Dabei war Sophia gerade in einem Schreib-Flow. ”Kann ich ein Autogramm haben? Deine Kolumnen regen mich echt voll zum Denken an. Ich wüsste ohne dich gar nicht, was ich denken soll. Ich liebe dich.” Wütend blickte Sophia von ihrem Macbook auf. ”Ja”, sagte sie zerknirscht. Als sich das Mädchen ihr mit dem Rücken zugewandt an einen Tisch setzte, machte sie ein Bild von den Mädchen und schickte es an Larissa. Sie kommentierte es mit ”Schwäbischer Pottwal”. Larissa schickte drei Lach-und-wein-Emojis.

Die arme Sophia – kaum hatte sie ein paar weitere Sätze für ihren Artikel über die Essgewohnheiten hipper Menschen geschrieben, da sprach sie Daniel an. Daniel war Redaktionsleiter einer Zeitung. Vielleicht auch stellvertretender. So genau wusste das Sophia nicht. Es interessierte sie auch nicht sonderlich. Was sie aber wusste war, dass Daniel auf sie stand. Sie war genau sein Beuteschema: klug, aber nicht so klug wie er, so dachte er – dabei waren sie beide eher so, lassen wir das. Gewissermaßen hübsch und um einiges jünger. Das machte aber nichts. Daniel konnte locker mithalten mit seiner jugendlich-feschen Kleidung und der kurzen, peppigen Friseur, die seinen langsam einsetzenden Haarverlust, versteckte. Normalerweise stand er auf noch jüngere. Sophia war mit Mitte 20 schon ein bisschen zu alt für ihn. Er mochte es süß, jung und unverbraucht. Er erklärte den jungen Damen gerne die Welt. ”Sophie”, säuselte er. Er dachte, wenn er ihr einen Spitznamen gab, würde das eine Art Vertrauen signalisieren. Sophie für Sophia war überaus originell. Er beugte sich zu ihr herunter und wollte ihr zwei Küsschen geben. Sophia stand nicht schnell genug auf und ihre Köpfe knallten aneinander. ”Du hier”, sagte er noch, während ihrer Kollision. Eine horizontale Kollision wäre Daniel lieber. Er schraubte schließlich schon lange genug daran. Selbst bei der einen Kleinen von den Identitären über die er einen Artikel geschrieben hatte- über die Mode der Indentitären – hatte er sich die  – noch durchaus guten – Zähne ausgebissen. Warum wollten junge Frauen keinen Sex mit Daniel? Er war darüber nur ein klein bisschen verbittert und man konnte es nur manchmal bei seinen Artikel herauslesen, wenn er auf die Feministinnen schimpfte, die irgendwie an allem Schuld waren. Würde Daniel ernsthafte Artikel schreiben, über Politik und Gesellschaft, hätte er ihnen wahrscheinlich auch noch die Schuld an Klima-Erwärmung und Krieg gegeben, aber Daniel schrieb keine ernsthaften Artikel. Er war Lifestyle-Journalist wie Sophia.

Sie führten ein bisschen Small-Talk. Über Partys, wer fett geworden ist, auf wen mit Erfolg man neidisch ist – das sagte man scherzhaft, aber meinte es ernst, Artikel von Kollegen, wer miteinander Schluss gemacht hat und wer – man munkelt darüber – Sex hatte und dergleichen. ”Du, ich muss jetzt los”, sagte Daniel nach einer Weile. Es klang ein wenig erwartungsvoll. ”Was machst du denn heute Abend?” fragte er. ”Ich muss dir noch von meiner Italien-Reise erzählen. Du hast dir ja meine Posts bei Instagram angesehen.” ”Äh”, sagte Sophia. ”Du, ich habe Karten…”, fuhr er fort, aber Sophia unterbrach ihn. ”Du, sorry”, sagte sie. ”Aber ich muss den Artikel fertigkriegen.” Shit, dachte Daniel. Schon wieder kein Treffer versenkt. ”Ach so”, sagte er und versuchte die Enttäuschung zu verbergen. Das gelang ihm nur halb. Er tätschelte Sophias Schulter. Das war ihr ein bisschen unangenehm. Sie schlief nur mit Männern mit mehr Einfluss. ”Du, dann, tschüß”, sagte er. ”Tschüß”, sagte Sophia. ”Ich muss auch noch einen Artikel schreiben”, sagte Daniel und winkte. Ein paar Tage später erschien ein Artikel von Daniel: ”Undankbare Feministinnen. Warum Frauen nicht dankbar für Männer mit Manieren sind”. Sophia las ihn beim Sonntags-Frühstück – sie aß nur ein Ei, denn sie wollte nachher noch zum Brunch – und stimmte in vielen Punkten zu und ließ sich für ihre Artikel inspieren. Sie notierte sich ”fette Lesben” als Inspiration und ”passendes Foucault Zitat googlen”. Es kam immer gut an, hatte sie gehört, wenn man Foucalt zitierte. Aber zurück in die Gegenwart.

Sophia atmete tief ein und wieder aus. ”Ich kann so nicht arbeiten,” sagte sie laut. Zuhause war Manfred, aber der hielt wenigstens die Klappe, wenn sie ihm das sagte. Sie war ein wenig erschöpft von der harten Arbeit und überlegte sich ein Taxi zu bestellen, aber entschied sich dann doch dagegen und dachte, dass ein bisschen Bewegung nicht schaden würde. Von frischer Luft konnte ja leider in Neukölln nicht die Rede sein. Sie gab ”fünf Minuten Spazieren” bei ihrer App Fitnesspal ein. Die fünf Minuten bis zur Wohnung zogen sich in eine unerträgliche Länge, aber schließlich war sie angekommen. Home sweet home. Na ja, fast. Schließlich wohnte da leider auch noch Manfred. Vielleicht war er nicht zuhause. Er traf sich manchmal draußen mit seinen versifften Freunden – in die Wohnung durften die ja nicht – oder ging in den Supermarkt, den Tafeln oder zum Jobcenter oder was auch immer. Im Prinzip hatte Sophia nichts gegen arme Leute, aber es war ihr schon lieber, wenn das arme Flüchtlings-Syrer oder so waren. Die machten sich besser auf Selfies. Manfred war nicht sonderlich fotogen und Eindruck schinden konnte man mit ihm auch nicht. Arme Deutsche kamen nicht an, nur Ausländer und da auch nur bestimmte. Osteuropäer zum Beispiel nicht. Die mochte keiner. Selbst wenn das Sinti und Roma waren. Momentan waren Moslems in. Sophia seufzte.

Zu früh gefreut. Leider war Manfred zuhause.

”Was ist denn hier los?” brüllte Sophia, nachdem sie das Wohnzimmer betreten hatte. ”Was wird das hier? Warum ist das so unordentlich?”

”Aber Sophia”, sagte Manfred erschrocken. ”Ich dachte, du kommst erst abends.”

”Es geht dich nichts an, was ich mache”, brüllte Sophia weiter. ”Ich muss arbeiten. Was ist das hier?”

”Entschuldige bitte, Sophia. Ich wollte Piranha ein Kunststück beibringen. Heute kommt doch Egon.”

”Wer?” brüllte Sophia.

”Egon. Piranhas neuer Freund. Ich hole ihn heute aus dem Tierheim.”

”Was? Du schaffst uns noch mehr von diesen Dingern an?”

”Ja,” sagte Manfred kleinlaut.

”Also, jetzt reicht’s”, sagte Sophia. ”Du zieht heute noch aus.”

”Aber der Vertrag”, sagte Manfred.

”Der Vertrag ist mir egal”, sagte Sophia.

”Wo soll ich denn hin? Ich habe doch meine Wohnung erst nächsten Monat.”

”Das ist mir doch egal. Du kannst ja in ein Obdachlosen-Asyl.”

Das war zu viel. Ja, hatte sie gedacht, es würde sie nicht stören, dass Manfred die Woche bis zum Monatsende hier noch wohnen würde und günstiger war es auch – Manfred bezahlte für diesen Monat noch die Miete und sie musste kein Geld für einen Stauraum für ihre Möbel und Kleidung ausgeben und konnte gleich einziehen, aber das war zu viel. Es ging so nicht mehr weiter. Es war ein Fehler gewesen zu denken, dass sie und Detlef sich schon irgendwie arrangieren würden. Es war ein Fehler gewesen anzunehmen, dass sie damit zeigen konnte, wie sozial eingestellt sie war. Sie kamen aus zwei verschiedenen Welten. So viel war klar.

”Ich muss arbeiten”, sagte Sophia etwas versöhnlicher. ”Du störst hier nur. Bitte check es: Das hier ist nicht mehr deine Wohnung. Ich wohne jetzt hier. Du und deinesgleichen – ihr passt hier einfach nicht mehr rein in diesen hippen Szene-Bezirk. Das ist nicht böse gemeint, aber es ist so.” Sie sah wieder auf das Handy und las einen Artikel ”Sapiosexuel, deminisexuel – ja, gibt’s es denn auch noch Normale?”. ”Darüber schreibe ich auch”, sagte sie gedankenverloren.

Und somit zog Manfred eine Woche früher als gedacht aus der Wohnung. Er und Piranha. Egon konnte er erst später aus dem Tierheim holen. Piranha musst er in der Bahnhofsmission verstecken. Tiere waren da nicht erlaubt.